Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Crivitz

Crivitz

(1) C. bildete den Mittelpunkt einer kleinen Vogtei, die bis zum Jahr 1350 Bestandteil der Grafschaft Schwerin war und seither dem Herzogtum Mecklenburg zugehörte. Umstrittene territoriale Erwerbungen wie C. pflegten die mecklenburgischen Landesherren mit einem kriegstüchtigen Vasallen abzusichern. Im Jahr 1355 gelangten Stadt und Vogtei C. jedoch nicht allein deshalb an den hzl.en Rat Heinrich Stralendorf, sondern diesem stand eine Erstattung seiner hohen Kriegskosten zu. Unter ihm und seinen Nachfolgern gab es eine adlige Hofhaltung in C. Die den Stralendorfs erteilte Pfandverschreibung auf C. verhinderte, dass die Schweriner Grafen je wieder in den Besitz der Vogtei gelangten. Die Verpfändung zog sich länger hin, erst ab 1485 konnten die Herzöge die verpfändete Vogtei schrittweise bei den Stralendorfschen Erben einlösen.

In der Landesteilung von 1520 fielen Amt und Stadt C. an Mecklenburg-Güstrow, in den weiteren Teilungen der Jahre 1555, 1620 und 1701 dagegen jeweils an Mecklenburg-Schwerin. 1547–1567 gehörte das Amt C., jährlich etwa 1000 Gulden erbringend, zum Leibgedinge der in Lübz residierenden Hzg.switwe. Wegen ihrer schlechten Finanzlage mussten die Herzöge von Mecklenburg-Schwerin Ende des 16. Jahrhunderts das Amt C. wiederum verschiedentlich verpfänden. Von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war die Adelsfamilie Barnewitz für einen längeren Zeitraum Pfandinhaber, die jedoch in dem ihnen ebenfalls verpfändeten Lübz saßen. Erst im Jahr 1752 lösten die Herzöge von Mecklenburg-Schwerin das Amt C. dauerhaft ein.

(2) C. fand als dörfliche Siedlung 1251 erstmals Erwähnung. Bis zum Jahr 1280 hatte sich der Vogteimittelpunkt zu einer Stadt fortentwickelt. Die in der Gründungsphase mit Mauern abgesteckten Stadtgrenzen wurden bis zum Ausgang der frühen Neuzeit nicht überschritten. Ende des 18. Jahrhunderts gab es in C. 200 Häuser, in denen ungefähr 1300 Einwohner lebten.

Die Gerichtsbarkeit übte der städtische Rat selbständig aus. Hierfür hatte die Stadt eine jährliche Gebühr an den Stadtherrn zu erlegen sowie einen Anteil an den Gerichtsbußen abzuführen.

(3) Die Stadtkirche ist ein gotischer Backsteinbau des ausgehenden 14. Jahrhunderts. C.er Ratsangehörige richteten dort im Jahr 1374 zwei Vikarien ein. Weitaus umfangreicher fiel demgegenüber die Stiftungstätigkeit des Adelsgeschlechts Stralendorf aus. 1378 gründeten sie zunächst zwei Vikarien, eine weitere 1390, welche zwecks Abhaltung regelmäßiger Seelenmessen mit den Einkünften eines ganzen Dorfs ausgestattet wurde. Eine vierte Vikarie der Stralendorfs kam 1393 hinzu. Im Zusammenhang mit der Niederlage Herzog Albrechts III. von Mecklenburg gegen Dänemark um die schwedische Königskrone 1389 und seiner anschließenden sechsjährigen Gefangenschaft brach auch die Stiftungstätigkeit der Stralendorfs in C. um 1400 ab. Im 15. Jahrhundert erhielt die C.er Pfarrkirche ihrerseits nur noch sehr geringe Zuwendungen.

Die außerhalb der Stadt gelegene Heilig-Geist-Kapelle wies einen ebenso engen Bezug zu den Stralendorfs auf. Diesem Kirchlein schenkten sie 1384 einige grundherrschaftliche Einkünfte. 1391 erfolgte daselbst die Stiftung einer Vikarie, die Seelenmessen für verstorbene Mitglieder der Stralendorf gewährleisten sollte. Während in der Heilig-Geist-Kapelle nur die Stralendorfs stifteten, erfolgten am St. Nikolai-Hospital vor der Stadt und in der auf dem Friedhof gelegenen St. Marien-Kapelle ausschließlich Stiftungen der C.er Ratsfamilien.

Die lutherische Lehre setzte sich erst spät völlig durch, da die Stadt seit 1547 zum Leibgedinge der katholisch gebliebenen Hzg.switwe zählte. Erst nach ihrem Tod 1567 wagten ihre Söhne, die Reformation in C. durchzusetzen.

In der Ausstattung der Pfarrkirche erinnert heute nichts mehr an die spätmittelalterliche Stiftungen seitens des städtischen Rats oder der Stralendorfs. Ebenso wenig haben sich die drei Kapellen erhalten.

(4) In der regelmäßig angelegten Stadt befand sich das Rathaus einst mitten auf dem rechteckigen Marktplatz. Unmittelbar südlich desselben wurde die Pfarrkirche im Stadtzentrum erbaut.

Die Burg, im Laufe der Jahrhunderte vielfach überbaut, lag außerhalb der Stadt und ihrer Gerichtsbarkeit in den Wiesen am Ufer des C.er Sees. Archäologisch sind lediglich Reste des Fundaments nachzuweisen. Ihre genaue Gestalt ist unbekannt, höchstwahrscheinlich dürfte sie aus einem Turm sowie dazugehörigen Wirtschaftsgebäuden bestanden haben. Unter den Grafen von Schwerin gab es in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts Burglehensinhaber, die zum Schutz der Anlage verpflichtet waren. Als C. 1350 an die mecklenburgischen Herzöge gelangte, wurden die Burglehen alsbald funktionslos. Seit Verpfändung der gesamten Vogtei 1355 an die Familie Stralendorf war vornehmlich diese für den Schutz der Region zuständig.

(5) Durch C. verliefen von Südmecklenburg bis an die Küste Handelsstraßen, ohne dass dieses die Ausbildung einer Kaufmannschaft befördert hätte. Das Handwerk produzierte für den regionalen Bedarf. Geprägt wurde C. vor allem von der Landwirtschaft. Diese erfuhr 1302 durch die Übernahme der Feldmark Pritzier eine Stärkung. 1390 erwarb die Stadt außerdem noch die Feldmark Parsow von den Stralendorfs.

Die Lebensmittelversorgung der Burgbewohner sicherte der zugehörige Bauhof weitgehend ab. Zum Betrieb desselben war nur wenig Personal erforderlich, da die meisten Arbeiten von dienstpflichtigen Bauern erledigt wurden. Zur Grundversorgung des Hofs der Stralendorfs waren nur wenige Markteinkäufe notwendig, da ihnen sämtliche Bauern der Vogtei C. Naturalabgaben entrichteten. Höherwertige Güter mussten aus der Ferne beschafft werden.

Die Haupterwerbsquelle der Stralendorfs in C. war im 14. Jahrhundert allerdings nicht die Landwirtschaft, sondern das lukrative Kriegsunternehmerwesen. Nach Fortfall desselben verlegten sich die Stralendorfs im 15. Jahrhundert auf die Beteiligung am Grenzkrieg mit Brandenburg. Von C. aus raubten sie verschiedentlich auf eigene Faust in der benachbarten Prignitz, ohne damit ähnlich hohe Einkünfte wie früher durch das Kriegsunternehmerwesens zu erzielen. Alsbald versanken die Stralendorfs in dermaßen hohen Schulden, dass sie nach und nach ihre Einkünfte verpfändeten. Dieser Umstand erleichterte den mecklenburgischen Hzg.en am Ende des 15. Jahrhunderts die Einlösung der Vogtei C. erheblich.

(6) Die Residenzbildung der Stralendorfs bezog Burg, die außerhalb der Stadt gelegene Heilig-Geist-Kapelle sowie die Stadt mitsamt der Stadtkirche ein. An dieser stifteten desgleichen verschiedene Ratsfamilien. Die gemeinsame Stiftungstätigkeit kennzeichnete das Miteinander zwischen städtischer Oberschicht und den Stralendorfs. Die beiderseitigen Rechte waren klar definiert, so dass keine Konflikte überliefert sind.

Wirtschaftlich profitierte C. von der langwährenden Anwesenheit der Stralendorfs kaum mehr als von früheren gelegentlichen Aufenthalten der Schweriner Grafen, weil die Burgbewohner sich über den Bauhof und Naturalabgaben weitgehend unabhängig versorgten. Insofern stellte die Einlösung der Vogtei C. durch den Landesherrn auch keinen Einbruch in wirtschaftliche Entwicklung dar, zumal die im 15. Jahrhundert hochverschuldeten Stralendorfs zuletzt kaum noch zur Aufrechterhaltung einer Hofhaltung imstande waren.

(7) Im Mecklenburgischen Urkundenbuch (1863–1977) ist die Überlieferung des 13. und 14. Jahrhunderts abgedruckt. Die Urkunden des 15. Jahrhunderts sind größtenteils in der Regestenkartei mecklenburgischer Urkunden erfasst, die am Landeshauptarchiv Schwerin geführt wird. Die frühneuzeitliche Überlieferung lagert gleichfalls in Schwerin. Relevant sind vor allem die Bestände Städtewesen und Domanialamt Crivitz. In Crivitz selbst wurde die urkundliche Überlieferung durch einen Brand des Rathauses im Jahr 1704 vernichtet.

(8)Lisch, Friedrich: Die Burgwälle von Crivitz, in: Jahrbücher des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde 19 (1854) S. 337. – Schlie, Kunst- und Geschichtsdenkmäler, Bd. 3 (1899), S. 317–331. – Hoffmann, Karl: Die Stadtgründungen Mecklenburg-Schwerins in der Kolonisationszeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert auf siedlungsgeschichtlicher Grundlage, in: Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 94 (1930) S. 1–200, hier: S. 49–51.

Tobias Pietsch