Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Heilsberg (Lidzbark)

Heilsberg (Lidzbark)

(1) Der polnische Name H.s, Lidzbark, geht auf eine altpreußische Wallburg Lecbarg zurück, die im Zusammenfluss der Flüsse Simser und Alle lag. Nach der Eroberung Pogesaniens, eines der zwölf preußischen Stammesgebiete, errichtete der Deutsche Orden um 1241 an der Stelle der älteren Burg eine neue Befestigung, die den Namen H. erhielt. Infolge der Aufteilung des Territoriums des Bm.s Ermland (1251, 1254) zwischen dem Bischof und dem Deutschen Orden war H. dem bfl.en Teil zugeteilt worden. In den Jahren 1315–1320 und 1350–1795 übte H. die Funktion der Hauptresidenz der ermländischen Bischöfe aus. Nach dem Friedensvertrag von Thorn 1466 unterstand das Hochstift Ermland der polnischen Krone. Mit dem Anschluss Ermlands an Preußen in Folge der ersten Teilung Polens von 1772 wurde die territoriale Herrschaft des Fbf.s aufgehoben, H. blieb noch Sitz des Bf.s bis 1795.

(2) Um 1260 errichtete der ermländische Bischof Anselm (1250–1278) am rechten Ufer der Alle eine Befestigung, die 1261 in die Hände der Pogesaner fiel. Nach der Niederwerfung des zweiten preußischen Aufstandes (1273) baute der Bischof die Burg wieder auf. Die Stadt H. wurde auf einem Moräne-Bergabhang, in einem Bogen des Flusses Alle gegenüber der Burg angelegt. Eine führende Rolle bei der Stadtgründung spielten die Ansiedler aus Schlesien, die zusammen mit den Verwandten des ermländischen Bf.s Eberhard von Neiße (1301–1326) nach Preußen kamen. Der Prozess der Stadtgründung begann an der Wende zum 14. Jahrhundert und bildete den Ausgangspunkt für die Entwicklung der ländlichen Siedlung im mittleren Ermland. 1308 stellte der Bischof das Stadtprivileg aus, in dem er der Stadtgemeinde das kulmische Recht und 140 Hufen verlieh. Das Erbschultheissamt wurde dem Lokator Johannes aus Köln, einem Verwandten des Bf.s, übertragen.

In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts hatte die Stadt mit den Vorstädten und dem Schlossbezirk ca. 1500 Einwohner. Nach dem Steuerverzeichnis des Jahres 1572 gab es 152 Häuser und 56 Buden, daraus ergeben sich ungefähr 1800–2000 Einwohner, 1581 etwas weniger. In Folge des schwedisch-polnischen Krieges 1655–1660 und der Pestepidemien 1656–1658, 1709–1711 ging die Einwohnerzahl um ein Drittel zurück. Nach dem Ende des Nordischen Krieges 1721 begann ein Wachstum, 1773 zählte H. 2664 Einwohner.

Bei der Anlage des Stadtraumes legte man ein Schachbrett-Muster zugrunde. Um 1320 erweiterte man die Stadt um eine Straßenzeile im Norden, die sog. Neustadt. Die Stadt hat die Form eines irregulären Vierecks mit einem viereckigen Markt (65 × 87 m) im Zentrum und den davon abzweigenden Straßen. Mit den Grundstücken blieben die Gärten in der nördlichen Vorstadt und die Felder untrennbar verbunden. 1772 befanden sich 80 Buden in den auf dem rechten Flussufer gelegenen Vorstädten vor dem Kirchen- und Mühlentor, die zu der Schlossfreiheit gehörten. Vor 1357 wurde die Wehrmauer errichtet, die voll ausgebaut aus sieben Türmen, drei Toren und einem Graben an der Nordseite bestand.

Im Stadtprivileg von 1308 verlieh der Bischof die niedere Gerichtsbarkeit, der Erbschultheiß erhielt ein Drittel der Einnahmen aus der hohen Gerichtsbarkeit. Der Landesherr behielt die hohe Gerichtsbarkeit über die Bürger und volle Gerichtsbarkeit über die altpreußische Bevölkerung. Die Einnahmen aus der Vermietung der Handelseinrichtungen (Fleischbänke, Brotbänke, Schuhmacherbänke, Krämerbänke, Waage) im und beim Rathaus wurden zwischen dem Bischof, dem Erbschultheiss und der Stadtgemeinde verteilt. 1384 kaufte die Stadt nach jahrelangen Konflikten mit den Erben des Lokators das Schultheißenamt. 1396 übernahm der Stadtrat vom Bischof für einen jährlichen Zins die Verwaltung über die Markteinrichtungen. Der zum ersten Mal 1338 erwähnte Rat setzte sich aus einem Bürgermeister und sieben Ratsherren zusammen. Im 16. Jahrhundert entstand ein kommunales Beratungsorgan, die sog. dritte Ordnung, in der sieben bis zwölf Vertreter der Gemeinde saßen. Der Schöffenstuhl bestand aus acht Mitgliedern, seit 1384 wurde der vorsitzende Richter aus dem Ratskollegium erwählt. Die Gerichtsbarkeit über die Einwohner der Vorstädte auf der Schlossfreiheit gehörte dem bfl.en Burggrafen oder dem vom Bischof nominierten Schultheissen. Der Landesherr verfügte auch über das Recht, die Stauten und Willküren zu bestätigen und die Wahl der Ratsherren und Schöffen zu beaufsichtigen und zu genehmigen. Neue Amtsträger hatte er aus den vom Rat vorgeschlagenen Personen zu wählen. Im 18. Jahrhundert setzte sich die Ernennung der Rats- und Schöffengerichtsmitglieder durch den Bischof ohne eine Zustimmung des Rates durch.

Die Wirtschaft war vor allem von Landwirtschaft und Handwerk geprägt. Von den handwerklichen Berufen hatten Fleischer, Schuhmacher, Bäcker, Schneider und Tuchmacher die größte Bedeutung. In der frühen Neuzeit ließen sich hauptsächlich Maler nieder, die für den Fbf. arbeiteten. In den Vorstädten befanden sich Gewerbeeinrichtungen (Kupfermühle, Schneidemühle, Mühle), derer Eigentümer zu speziellen Leistungen für das Schloss und den bfl.en Wirtschaftshof verpflichtet waren. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts setzte eine zunehmende Agrarisierung der Wirtschaft ein. 1431 vergrößerte der Bischof den städtischen Landbesitz um 18 Morgen. Der Handel beschränkte sich auf den lokalen Kleinhandel mit Lebensmitteln und Produkten des einheimischen Handwerks, der wöchentliche Markt fand samstags statt. Seit dem Ende des 14. Jhs. ist in H. ein Frühjahrsjahrmarkt belegt.

(3) Da die Pfarrei 1305 erwähnt wird, bestand sie bereits vor der Gewährung des Stadtrechts. Das Patronatsrecht besaß der Bischof Seit dem 14. Jahrhundert war sie zudem Sitz des Archipresbyterats. Nach einem Verzeichnis aus den 1580er Jahren gab es in der Pfarrkirche neben dem St. Peter und Paul geweihten Hochaltar neun Seitenaltäre. 1505 stiftete Bischof Lukas Watzenrode eine Pfründe für sechs Priester vor dem Marienaltar. Im Jahre 1772 gab es in der Pfarrkirche 26 Benefizien, davon wurden zwei von den Bf.en, vier von Burggrafen und Hofamtsträgern und drei von H.er Erzpriestern gestiftet. Bischof Simon Rudnicki errichtete 1618–1619 auf dem Kirchhof eine dem Hl. Stanislaus geweihte Kapelle für die polnische Bevölkerung. Wahrscheinlich befand sich im Spätmittelalter in der Vorstadt vor dem Mühlentor eine St. Katharinen-Kapelle, die der preußischen Bevölkerung diente. Der Pfarrkirche war eine zum ersten Mal im 15. Jahrhundert erwähnte Schule für Bürgersöhne angeschlossen. Um 1450 gründete der Bischof eine Schlossschule, auf der ausgewählte Schüler aus dem Ermland auf ein Universitätsstudium vorbereitet wurden.

1587 überwies Bischof Martin Kromer (1579–1589) den Katharinerinnen ein Beginen- und ein Bürgerhaus. 1700 wurden für sie neue Konventsgebäude in der Nähe der Pfarrkirche außerhalb der Stadtmauer am Flussufer errichtet. 1721 weihte der Bischof die neue Konventskapelle Hl. Joseph ein.

Die meisten H.er Hospitäler gingen auf bischöfliche Stiftungen zurück. 1384 wird das Heilig-Geist-Hospital erstmals erwähnt, das sich am Simserufer östlich der Vorburg befand. 1478 wurde es während der Belagerung H.s niedergerissen. Wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstand vor dem Mühlentor das Leprosorium St. Georgen. 1543 wurden beide Hospitäler vereinigt. Bischof Martin Kromer stiftete 1582 ein neues Hospital St. Georgen an der Nordseite des Pfarrkirchhofes, das über ein Frauen- und ein Männerhaus verfügte. Ein weiteres Armen- und Bürgerhospital errichtete 1527 Bischof Mauritius Ferber (1523–1537) an Stelle des bürgerlichen Elendenhauses hinter dem Kirchentor. Zudem gründete er 1530 das Schloss- und Priesterhospital am Kirchentor.

(4) 1315 weihte der Bischof Eberhard von Neisse die erste Pfarrkirche zu St. Peter und Paul ein, die zwischen 1350 und 1386 zu einer dreischiffigen Basilika umgebaut wurde. Im 15. Jahrhundert wurde sie um einen mächtigen Turm ergänzt. Nach dem Stadtbrand von 1497 wurde sie zur Hallenkirche umgestaltet. 1698 brannten Turm und Dach nach einem Blitzschlag ab, der Wiederaufbau wurde von Bischof Teodor Potocki (1712–1723) finanziert, der den barockisierten Ostgiebel und die Wetterfahne auf dem Turm mit seinem Familienwappen schmücken ließ.

Bf. Johann von Meißen (1350–1355) begann mit dem Um- oder Neubau anstelle oder bei der älteren Burg auf der Landzunge zwischen Alle und Simser. Erst zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde sie vollendet. Nach dem Brand 1497 wurde sie unter Bischof Lukas Watzenrode (1489–1512) umgebaut. Bischof Johannes Stephan Wydzga (1659–1679) errichtete 1673 vor der Südfront des Haupthauses einen prächtigen Barockpalast. Der direkte Weg von der Burg zur Stadt führte über eine Brücke, die die Alle überquerte, und durch eine Pforte in der Stadtmauer (urkundlich belegt 1390).

Die älteste bildliche Quelle zur Geschichte der Stadt bietet die Gesamtansicht von Christoph Hartknoch, Alt und Neues Preussen, Frankfurt-Leipzig 1684, S. 386.

(5) H. war bedeutsam für die ermländischen Ständeversammlungen, die 1526–1772 auf dem Schloss stattfanden. Die Ratsgesandten der ermländischen Städte berieten sich vor der förmlichen Eröffnung der Ständeversammlung im H.er Rathaus.

(7) Die unveröffentlichten Quellen sind aufbewahrt im: Archiwum Diecezji Warmińskiej in Olsztyn [Das Archiv der Diözese Ermland in Allenstein].

Codex Dipolmaticus Warmiensis oder Regesten und Urkunden zur Geschichte Ermlands, Bde. 1–3, hg. von Carl Peter Woelky und Johann Martin Saage, Mainz/Leipzig 1860–1874; Bd. 4, hg. von Viktor Rörich, Franz Liedtke und Hans Schmauch, Braunsberg 1935. – Ordinancia castri Heylsbergk, hg. von Carl Peter Woelky, in: Scriptores rerum Warmiensium oder Quellenschriften zur Geschichte Ermlands, Bd. 1, hg. von Carl Peter Woelky und Johann Martin Saage Braunsberg 1866 (Monumenta historiae Warmoensis, 3), S. 314–347. – Die Heilsberger Chronik von Martin Oesterreich, in: Scriptores rerum Warmiensium oder Quellenschriften zur Geschichte Ermlands, Bd. 2, hg. von Carl Peter Woelky und Johann Martin Saage, Braunsberg 1889 (Monumenta historiae Warmoensis, 8), S. 220–578. – Das Inventarium des Schlosses Heilsberg von 1565/69, hg. von Karl Hauke, in: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 24 (1932) S. 228–239. – Hartmann, Stefan: Quellen zur Geschichte der Stadt Heilsberg im 16. und 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 49 (1999) S. 79–110.

(8)Boetticher, Adolf: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Ostpreußen, Bd. 4: Ermland, Königsberg 1894. – Kolberg, Joseph: Die Verfassung Ermlands beim Übergang unter die preußische Herrschaft i. J. 1772, in: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 10 (1894) S. 656–739. – Peter, Anton: Die Stadt Heilsberg und ihre Umgebung, Heilsberg 1900. – Röhrich, Viktor: Die Kolonisation Ermlands, in: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 14 (1903) S. 131–355. – Biskup, Marian: Rozwój przestrzenny Lidzbarka Warmińskiego, in: Komunikaty Mazursko-Warmińskie 4 (1961) S. 481–496. – Jarzebowski, Residenzen (2007). – Historia Lidzbarka Warmińskiego, hg. von Krzysztof Mikulski und Eugeniusz Borodij, Bd. 1, Lidzbark Warminski 2008. – Radzimiński, Andrzej: Die Kirche im Deutschordensstaat in Preussen (1243–1525), Toruń 2014 (Prussia Sacra, 4).

Roman Czaja