Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Köthen

Köthen

(1) K. liegt im Gebiet zwischen Elbe, Saale, Mulde und Fuhne und war im Mittelalter Passierort durch die sumpfige Zietheniederung für die von Magdeburg kommende, hier nach Halle und Leipzig abzweigende Handelsstraße. Es wurde Mitte des 12. Jahrhunderts durch die Askanier bei deren bereits vorhandenen Burg als Marktsiedlung angelegt, gehörte nach der Teilung von 1252 zu Anhalt-K. und war gelegentlicher, ab 1480 ständiger Aufenthaltsort von Angehörigen dieses Familienzweiges und ab 1603 Residenz der jüngeren Linie Anhalt-K. bis 1847.

(2) Die Stadt entwickelte sich aus dem Burgbereich, dem 1160 genannten, 1443 bereits wüsten Hohenköthen, der erstmals 1194 urkundlich nachweisbaren, 1313 als Civitas bezeichneten Marktsiedlung samt dem 1391 erwähnten Neumarkt sowie aus der vermutlich auf das 13. Jahrhundert zurückgehenden, erst 1377 schriftlich bezeugten Neustadt, die 1620 mit der Altstadt vereinigt wurde. Die Zahl ihrer Bewohner, die mehrheitlich niederdeutsche Vorfahren besaßen, wird zu Beginn des Dreißigjährigen Krieg auf 2000 geschätzt. Sie stieg bis 1720 auf etwa 3100, 1788 auf ca. 5500 Personen an.

Die südlich am Burgbezirk anschließende Stadt wurde Ende des 12. Jahrhunderts befestigt. Vom Markt, auf dem sich die Häuser der Kaufleute konzentrierten, gingen drei Straßen ab, an deren Ende jeweils ein Stadttor stand. Von ihnen sind die Türme des Magdeburger und Hallischen Tores noch vorhanden. Ab 1720 brach man Teile der Stadtbefestigung ab und errichtete in der Wallstraße repräsentative Bürgerhäuser. Daneben existierten von bescheidenen Wohn- und Handwerkerhäusern geprägte Areale, wie z. B. in der Springstraße.

Die Macht des 1323 erstmals genannten Rates war von Anfang an durch die fsl.en Stadtherren eingeschränkt, in deren Auftrag ein bereits 1263 bezeugter Vogt sowie ein 1332 erwähnter Schultheiß als Stadtrichter nebst Schöffen agierten. Zwar gelang es dem Rat, das Schöffengericht von 1396 bis 1475 pfandweise von den Fürsten zu erwerben, doch führten weitere Versuche, deren Geldnot zur Ausweitung städtischer Rechte auszunutzen, zu Konflikten, welche in den Willküren von 1402, 1437 und 1527 beigelegt wurden. Seit dem 16. Jahrhundert suchten die Fürsten, den Rat stärker zu kontrollieren und das städtische Leben zu reglementieren, und ließen zur Hebung ihrer Einnahmen gegen Widerstand der K.er 1708 die Akzise einführen.

K. diente den Askaniern als Münzprägeort und stellte bereits im 12. Jahrhundert ein bedeutendes Handelszentrum dar. Der ursprüngliche Jahrmarkt wurde nach 1290 von Vocem jocunditatis (5. Sonntag nach Ostern) auf den Jakobstag (25. Juli) verlegt, später kamen noch Märkte zu Andreas (30. Nov.) und Pfingsten sowie in der Neustadt zu Michaelis (29. Sept.) hinzu. Neben dem Handel lebten die Bürger zumeist von der Nahrungsmittelproduktion sowie der Tuch- und Lederherstellung. Von den Innungen wird 1373 zuerst die der Bäcker, später auch die der Schuhmacher, Kürschner und Leineweber erwähnt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg trugen eine erleichterte Aufnahme von Neubürgern und die wachsende Rolle des Hofes als Konsumtionsfaktor zum Aufschwung der städtischen Wirtschaft bei. Es entstanden neue Innungen, wie die der Maurer, Zimmerer, Köche, Strumpfwirker, Nadler, Perücken-, Borten-, Knopf- und Hutmacher sowie eine Gold- und Silberwirkwarenmanufaktur und eine Fayencewerkstatt.

Ihre Einnahmen bezog die Stadt aus Landbesitz und Ackerbau, aus der Verpachtung städtischer Gebäude, von den Jahrmärkten, aus dem je Haus zu zahlenden Schossgeld, aus Zöllen und anderen Abgaben. Man lieh mehrfach Geld an die Fürsten und brachte ihnen zum Herrschaftsantritt und zu Familienfeierlichkeiten Geschenke dar.

(3) Als älteste, heute verschwundene Kirchen werden 1160 in Hohenköthen St. Georg und St. Martin erwähnt. Die Jakobskirche der Marktsiedlung entstand vermutlich um 1200 und war Archidiakonat des Magdeburger Ebm.s. Ihr Patronatsrecht erhielt 1290 das Kloster Gottesgnaden bei Calbe, ehe es 1553 an den K.er Rat fiel. Ab 1400 erfolgte ihr Neubau als spätgotische Hallenkirche, deren Chor bereits ein Jahr später geweiht, die im Innern jedoch erst 1518 und außen mit der Errichtung der Türme 1895/96 vollendet wurde. Ab dem 17. Jahrhundert diente St. Jakob als Begräbniskirche der Fs.enfamilie, von der 40 Angehörige in der Gruft beigesetzt sind. Die von der Neustadt und dem Neumarkt gemeinsam genutzte, 1354 erstmals bezeugte Marienkirche befand sich 1557 im Besitz des Rates als Kornhaus und wurde 1785 abgebrochen. Relativ kurz existierten eine Augustiner-Terminei und das Hl.-Geist-Spital im Neumarkt, die im 15. Jahrhundert letztmals erwähnt werden.

Ab 1527 wurde die Reformation lutherischen Bekenntnisses durch Fürst Wolfgang eingeführt, der 1533 einen Superintendenten berief, 1534 eine erste Kirchenvisitation veranlasste und 1538 das neue Hospital einrichtete. Die Einführung der reformierten Konfession durch Fürst Johann Georg I. ab 1589 brachte Streitigkeiten zwischen Reformierten und Lutheranern hervor, die erst 1787 durch einen Vergleich endeten. Fs.in Gisela Agnes setzte die Errichtung der 1699 geweihten lutherischen Agnuskirche durch, übernahm zugleich deren Patronat und gründete 1711 ein adeliges Fräuleinstift. Juden werden in K. erstmals 1620 erwähnt; ihre Zahl betrug 1788 72 Personen.

(4) Das auf die Burg zurückgehende, 1547 durch Brand zerstörte Schloss wurde ab 1599 in mehreren Etappen als fürstliche Residenz mit einem Schlossgarten neu errichtet, der in seiner einst prächtigen Gestalt nicht mehr erhalten ist. Dem Schloss südwestlich vorgelagert ist der Marstall von 1767/70. Der Markt wird von der Jakobskirche und dem 1900 vollendeten Rathaus geprägt, das an der Stelle von Vorgängerbauten aus den Jahren 1457 und 1639 steht. Repräsentative fürstliche Bauten bzw. Bürgerhäuser befinden sich am Markt, am Schlossplatz (Prinzessinnenhaus von 1779), in der Wallstraße (Neues Schloss) und in der Stiftsstraße (Gisela-Agnes-Stift, Prinzenhaus).

Am Magdeburger Tor ist das Stadtwappen von 1553 eingemauert; fsl.-anhaltische Wappen sind am Marstall und am Eingang der Agnuskirche sowie ebenso wie das Wappen der Stadt K. als Schlusssteine in der Jakobskirche angebracht. Hier finden sich auch die Grabsteine mehrerer fsl.er Amtleute aus dem 16. und 17. Jahrhundert

Bildliche Darstellungen des Schlosses sowie der Stadt bieten zwei von Matthäus Merian um 1650 gefertigte Stiche. Weitere Ansichten und Stadtpläne existieren aus dem 18. Jahrhundert

(5) Für die umliegenden Dörfer, die teilweise in den städtischen Gerichtsbezirk einbezogen waren, besaß K. eine wichtige Nahmarkt- und Versorgungsfunktion. Durch den Wüstungsprozess vergrößerte sich ab dem 15. Jahrhundert die Stadtflur, so dass die Ackerbürger über zunehmenden Landbesitz verfügten und der Kornhandel aufblühte. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts erfolgte verstärkt eine Vergabe von Rittergütern als Domänen an bürgerliche Pächter durch den Fs.en.

K. wurde mehrfach in Fehden und Kriege hineingezogen, dabei 1280 durch die Wettiner zerstört, 1406 durch den Erzbischof von Magdeburg belagert und während des Schmalkaldischen, Dreißigjährigen und Siebenjährigen Krieges durch fremde Truppen besetzt. Abgesehen von einem 1323 mit Wittenberg geschlossenen Landfriedensbündnis trat die Stadt politisch nicht hervor und auch nicht als Ort ständischer Zusammenkünfte in Erscheinung. K. entwickelte sich dafür in der Neuzeit zu einem geistig-kulturellem Zentrum, an dem sich ab 1618 ein Gelehrtenkreis um den Schulreformer Wolfgang Ratke bildete und Fürst Ludwig 1629 die »Fruchtbringende Gesellschaft« zur Förderung der deutschen Sprache etablierte. Zu den Künstlern, die im 18. Jahrhundert in K. tätig waren, zählten von 1717 bis 1723 Johann Sebastian Bach als Hofkapellmeister, der Maler Antoine Pesne und der Baumeister Johann Michael Hoppenhaupt d. Ä.

(6) K. wurde im 12. Jahrhundert von den Askaniern als Marktsiedlung gegründet und gehörte bis über 1800 hinaus zum Herrschaftsbereich dieses Geschlechts. Als gelegentlicher Aufenthaltsort der anhaltischen Fürsten entwickelte es sich erst ab Beginn des 17. Jahrhunderts zu einer eigentlichen Residenz mit dem Ausbau des Schlosses und der Errichtung weiterer repräsentativer Gebäude. Die damit verbundene fürstliche Förderung auf ökonomischem und geistig-kulturellem Gebiet führte zu einer gewissen Blüte der Stadt. Diese konnte die Herrschaft der Fürsten nie wirklich einschränken, sondern musste im Gegenteil in der Neuzeit verstärkte Eingriffe in ihre Belange, so durch fürstliche Ordnungen, hinnehmen.

(7) Von den Archivalien des Stadtarchivs Köthen sind die 1391 beginnenden Kämmereirechnungen, ein Kopialbuch der städtischen Privilegien von 1558 sowie zwei Bürgerbücher der Zeit von 1630–1831 hervorzuheben. Einige Urkunden der Stadt werden darüber hinaus im Historischen Museum Köthen verwahrt. In der Abteilung Dessau des Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt liegen die sich auch auf die Stadt beziehenden Urkunden und Akten der Fürsten von Anhalt-Köthen.

Codex diplomaticus Anhaltinus (1867–1883). – Regesten der Urkunden des Herzoglichen Haus- und Staatsarchivs zu Zerbst aus den Jahren 1401–1500, hg. von Hermann Wäschke, Dessau 1909. – Robert Schulze: Verzeichnis der neuen Bürger der Stadt Köthen in Anhalt von 1630–1729, Köthen 1926.

(8)Hartung, Oskar: Geschichte der Stadt Cöthen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Köthen 1900. – Müller, Wilhelm: Aus dem Cöthener Ratsarchiv. Zur Geschichte der Stadt Cöthen im 15. Jahrhundert, Köthen 1913 (Beiträge zur anhaltischen Geschichte, 19). – Die Kunstdenkmale des Landes Anhalt, Bd. 2: Landkreis Dessau-Köthen, 1. Teil: Die Stadt Köthen und der Landkreis außer Wörlitz, hg. von Hermann Giesau und bearb. von Ernst Haetge und Marie-Luise Harksen, Burg b. Magdeburg 1943, S.129–142. – Hoppe, Günther: Köthen in der Feudalzeit (1115 bis ca. 1800), in: Hoppe, Günther, Grossert, Werner, Freundel, Matthias: Köthen (Anhalt) zwischen den Jahren 1115 und 1949. Vier Beiträge zur Stadtgeschichte, Köthen 1991, S. 7–45.

Eberhard Holtz (†)