Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

Return to list

Güstrow

Güstrow

(1) G. liegt etwa 40 km südlich von Rostock an der Nebel, einem Zufluss der Warnow, inmitten der hügeligen Mecklenburger Seenplatte in einer Senke, die von fünf Seen, u. a. dem großen Inselsee, geprägt ist. Der altpolabische Name (so viel wie Eidechsenort bedeutend) zeugt von einer älteren slawischen Besiedlung, zudem gab es außerhalb des späteren G. am Inselsee einen Burgwall. Der Ort entstand wohl im Laufe des 12. Jahrhunderts südlich des Flusses an einer leicht erhöhten Stelle, bei der eine Furt die Querung der Nebel ermöglichte. Nördlich der Nebel entstand das Dorf Alt-G. (1258 erstmals erwähnt, außerhalb des Mühlentors an der Straße nach Rostock gelegen). Entwicklung und Aufstieg G.s sind eng mit den Fürsten von Mecklenburg und den Herren von Werle verbunden. Fürst Heinrich Borwin II. gründete 1226 in G. ein Kollegiatstift; 1228 bestätigten dessen Söhne die Stadtgründung ihres Vaters mit der Verleihung des Schweriner Stadtrechts. Im Zuge der ersten Hauptlandesteilung 1229 ging G. an Fürst Nikolaus I. und die durch ihn begründete Linie der Herren von Werle, die sich nach der ca. zwölf Kilometer nordwestlich gelegenen Burg Werle benannten, (diese Burg gab man in der Folgezeit auf). Am Südrand G.s wurde eine Burg angelegt; Burgvögte finden bereits 1226 Erwähnung. Die Stadt entwickelte sich seit dem 13. Jahrhundert zu einem der Hauptorte der Herren von Werle und fungierte nach je einer Landesteilung 1282 und 1316 zweimal als regionales Zentrum innerhalb der Herrschaft, zuerst zusammen mit Parchim (bis 1292), dann mit Goldberg und Waren. Letzter Vertreter der G.er Linie war Wilhelm, Herr von Werle und Fürst von Wenden (dieser Titel seit 1418 bei den Herren von Werle). Nach dessen kinderlosen Tod 1436 fiel G. an die Herzöge von Mecklenburg und Mecklenburg-Stargard.

Nach dem Tod Herzog Magnus’ II. 1503 bestimmten seine Erben G. neben Schwerin und Stargard zu einem der drei regelmäßig aufzusuchenden Hoflager. G. wurde erneut 1520 Residenzstadt, als mit dem Neubrandenburger Hausvertrag die gemeinschaftliche Regierung der Erben Herzog Magnus’ beendet wurde. Von G. aus regierten die Herzöge Albrecht VII. (1520–1547) und nacheinander mehrere seiner Söhne (1547–1610), sodann sein Enkel Johann Albrecht II. (reg. 1610–1636, unterbrochen durch die vom Kaiser legitimierte Besetzung Mecklenburgs durch Wallenstein 1628–1631, von G. aus mit ungewöhnlich großem Hof regierend) und nach einer Vormundschaftszeit dessen Sohn Gustav Adolf (reg. selbständig 1654–1695). Seine überlebende Frau Magdalene Sybille behielt G. als Witwensitz bis zu ihrem Tod 1719. Bis zur Neuordnung der politischen Verhältnisse im Hamburger Vergleich 1701 blieb der G.er Landesteil mit seinen Behörden (Geheimer Rat, Kammer) bestehen, ging dann in dem neu zugeschnittenen Herzogtum Mecklenburg-Schwerin auf. G. behielt zentrale Funktionen: 1708–1818 war G. Sitz des Hof- und Landgerichts, 1734–1748 befand sich erneut die landesherrliche Justizkanzlei in G. (so auch ab 1818). 1712 war G. Ort von erfolglosen Waffenstillstandsverhandlungen zwischen dem russischen Zar Peter dem Großen, dem polnischen König August dem Straken und dem schwedischen General Steenbock zur Beendigung des Großen Nordischen Kriegs 1701–1721. 1763–1827 war G. Sitz der Steuer-, Polizei- und Kämmereikommission sowie des Steuerkollegiums (bis 1837).

Kirchlich gehörte G. anfangs zum Bistum Schwerin, mit dem Grenzstreit zwischen Schwerin und Kammin wechselte die Zuständigkeit bis spätestens 1260 an das Bistum Kammin; ausgenommen war das im 14. Jahrhundert vor der Stadt gegründetes Georgenhospital.

(2) Der annähernd kreisförmige Umriss mit einem quadratisch-gitterartigem Straßennetz, geprägt von einem großen Marktplatz, verrät eine geplante Anlage. 1248 konnte G. die Schaffung einer rechtlich selbständigen Neustadt (mit eigener Kirche und eigenem Rat) auf der städtischen Feldmark (wohl nördlich der Nebel) verhindern, doch blieb die Flurbezeichnung erhalten. Zugleich wird die im Eigentum der Stadtherren befindliche, aber von der Stadt unterhaltene Stadtbefestigung erwähnt, die auch die Burg- und die Domfreiheit einschloss. 1293 wird sie als Steinwerk bezeichnet, deren vier Tore (Gleviner, Hageböcker, Schnoien- und Mühlentor) erst im 15. Jahrhundert belegt sind. Im 17. Jahrhundert noch verstärkt, verfielen sie im 18. Jahrhundert; das Gleviner Außentor erhielt jedoch noch klassizistische Torhäuser. G. kannte vier Stadtviertel (Gleviner-, Schnoien-, Mühlen- und Domviertel), die bei der Steuereinziehung wichtig waren. Zudem war die Stadt zur Heeresfolge verpflichtet.

Das vor 1228 verliehene Schweriner Stadtrecht sah einen Rat und die Bestellung von Bürgermeistern vor, Ratsherren werden 1264 erstmals ausdrücklich erwähnt, ein Bürgermeister erst 1359. Hinweise zum Ratswechsel gibt es aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Zwei Drittel der Gerichtsbußen aus der Gewerbeaufsicht fielen an die Stadt, ein Drittel an den Stadtherren; 1270 schenkte Nikolaus von Werle der Stadt das ihm zustehende Drittel. Über Markthoheit, Rechtsprechung, Münzrecht und Zölle verlautet zunächst nichts, sie verblieben beim Stadtherrn. Die Mühle am Mühlentor verkaufte der Landesherr 1287 an das Kloster Doberan, von dem die Stadt sie erst 1452 erwerben konnte. 1248 erhielt die Stadt eine Mitbestimmung bei der Marktaufsicht, 1264 durfte der Rat eine innerstädtische Vermögenssteuer erheben, den Schoß. 1486 erwarb der Rat das Monopol auf den Handel mit Wein und Bier, welche allein im Ratskeller umgeschlagen werden durften; auch die Herren von Werle versprachen, ihre Getränke dort zu kaufen. In der Stadt ließen die Werler sich durch einen Vogt vertreten, dessen Kompetenz sich auch außerhalb der Stadt auf die Vogtei erstreckte. Rechtlich autonome Bereiche waren der landesherrliche Burgbezirk und die Domfreiheit, die neben dem Ratsteil bestanden.

Um 1475 dürfte G. unter 2500 Einwohner gehabt haben, 1661 wurden 2435 Einwohner gezählt, 1620 gab es 607 Feuerstellen, was auf über 2700 Einwohner schließen lässt.

Über die Nebel war G. mit der Warnow verbunden, was einen Transport per Binnenschiff nach Rostock und Warnemünde und somit eine Einbindung in überörtliche Handelsverbindungen ermöglichte; 1678 werden drei Tage für den Transfer nach Warnemünde angegeben. Zudem konnte der Elbehafen Boizenburg nach einer zweitägigen Landreise erreicht werden. Bemerkenswert ist, dass in G. die älteste aller bekannten Mecklenburger Kaufleutegilden entstand (1338), was als Indiz für eine größere handelsgeschichtliche Bedeutung zu werten ist. Der aus zwölf (1514) Herren bestehende Rat ergänzte sich vornehmlich aus Gildemitgliedern, wie auch umgekehrt der Vorstand der Gilde aus Ratsmitgliedern gebildet wurde (belegt für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts und das frühe 16. Jahrhundert). 1359 erhielt die Stadt den bisher von den Herren von Werle erhobenen Durchgangszoll. Seit 1563 gab es einen Viehmarkt. G. kannte ein blühendes Handwerk, von den Zünften sind die Wollweber, Schmiede, Bäcker und Pelzer die ältesten, 1514 werden noch die Schuhmacher, Haken (Kleinhändler), Knochenhauer (Viehhändler) und die Schröder (innerörtliche Träger) genannt. Ausgeführt wurde in erster Linie das Kniesenack genannte Bier, daneben auch Getreide vornehmlich nach Rostock. 1586 ließ sich der erste Drucker nieder, 1618 wurde die erste Zeitung Mecklenburgs gedruckt. Herzog Gustav Adolf ließ die Ansiedlung von Hugenotten zu, die Seidenweberei, Schönfärberei und Strumpfwirkerei als neue Gewerke einführten. Einen Streit zwischen Handwerkern und Rat 1384 entschied Lorenz von Werle als Stadtherr zugunsten des Rats; worum es ging, ist nicht überliefert. 1582 schützte Herzog Ulrich (reg. 1555–1603) den Rat vor Angriffen der Bürger. 1441 wurde die Schützengilde neu geordnet, sie dürfte folglich älter sein.

(3) Hauptpfarrkirche war die am Markt stehende St. Marienkirche (Ersterwähnung 1308). Die Kirche war, wie fast alle religiösen Einrichtungen G.s, dem Kollegiatstift inkorporiert. Der Ratsherr Jacob Worpel stiftete zusammen Gottfried Mölln 1365 eine Vikarie. Nach dem Stadtbrand 1503 wurde sie im gotischen Stil neu erbaut, Teile der Ausstattung, insbesondere der von der Katharinenbruderschaft gestiftete imponierende (unter Beteiligung der Herzöge angeschaffte?) Schnitzaltar aus Brüssel, sind noch vorreformatorisch. Das Dorf Alt-G. besaß eine eigene Pfarrkirche, die in den 1530er/40er Jahren zu existieren aufhörte.

Das 1226 von Fürst Heinrich Borwin II. gegründete Kollegiatstift (allgemein als Dom bezeichnet) war drei Heiligen gewidmet (Maria, Johannes dem Evangelisten und Cäcilia). Die Stiftskirche wurde erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts begonnen und ersetzte wahrscheinlich einen Vorgängerbau (Chor wohl um 1335 vollendet, Turm und Seitenschiff zu Beginn des 15. Jahrhunderts, drei Kapellen im frühen 16. Jahrhundert dem Seitenschiff angebaut).

Die Kollegiatkirche diente seit dem 14. Jahrhundert als Grablege der Herren von Werle bzw. seit dem 15. Jahrhundert der Linie Werle-Güstrow. Bestattet wurden Lorenz († 1393), seine Söhne Nikolaus († 1401), Johann († 1414) und Balthasar († 1421) sowie dessen erste Frau Euphemia († 1410) und Anna († 1426), die Gemahlin Wilhelms von Wenden. Der Ausbau des Domes zur protestantischen Hofkirche und dynastischen Grablege des Hzg.shauses Mecklenburg-G. erfolgte durch Herzog Ulrich († 1603) und seine Gemahlin Elisabeth von Dänemark (1524–1586). Sie ließen für sich ein prächtiges Epitaph, das sog. Ulrich-Monument, errichten, das nach der zweiten Eheschließung des Hzg.s erweitert wurde. Elisabeth, Ulrich und dessen zweite Frau Anna von Pommern-Wolgast († 1626) sind in der Ulrich-Gruft bestattet worden. Ein Epitaph war auch der hier bestatteten Herzogin Dorothea von Dänemark († 1575), Elisabeths Schwester, gewidmet. Da Herzog Ulrich die Grablege Heinrich Borwins II. in Güstrow vermutete, ließ er für diesen ein monumentales Epitaph errichten und daneben ein Kenotaph aufstellen. In der später entstandenen Johann-Albrecht- und der Gustav-Adolf-Gruft wurden bis ins 18. Jahrhundert Mitglieder der landesherrlichen Familie bestattet. Die Funktion G.s als herrschaftliche Grablege endete mit der Beisetzung Herzog Gustav Adolfs († 1695). Genannt sei auch das vom Herzog für seinen Geheimen Rat Günther von Passow († 1657) in Auftrag gegebene beeindruckende Grabmal.

Es gab nach einer landesherrlichen Untersuchung 1514 vier Bruderschaften (St. Katharinen, St. Bartholomäus, St. Urbansgilde, St. Martinsgilde); über die Katharinen-Bruderschaft wird eigens gesagt, dass die Fürsten und viele Edelleute Mitglied seien wegen der Messen zu Fastenabend. Die Katharinen- und die Bartholomäusbruderschaft lassen sich bereits in den 1360er Jahren greifen. Zusätzlich gab es noch eine eventuell 1340 gegründete Bruderschaft der Hll. Gregorius und Augustinus, zu der 1502 ein ausführliches Kalandsbuch angelegt wurde. Dazu kamen im 15. Jahrhundert Bruderschaften der Hl.-Drei-Könige, St. Christopher und der 11.000 Jungfrauen.

Das Hl.-Geist-Spital, gelegen in der Nähe des Gleviner Tores, wird 1308 erstmals erwähnt, unterhalten wurde es aus Zuwendungen der Bürger, vor allem des Ratsherrn Jacob Worpel, der 1345 vom Rat als Vorsteher eingesetzt wurde. Der Bau stammt von 1334, im 16. Jahrhundert wurde er erneuert. Fürst Wilhelm stiftete 1430 eine Vikarie, das Patronat lag beim Propst des Kollegiatstifts. In der Reformation ging es in den Besitz des Rats über, im Auftrag Herzog Ulrichs wurde es 1561–1564 erneuert. 1662 tauschte der Rat das Spital mit Herzog Gustav Adolf gegen die Rechte an der Pfarrkirche, woraufhin der Herzog 1690 ein Armenhaus einrichtete. Das beim Dorf Alt-G. gelegene St. Jürgen (bzw. Georgs)-Spital für die Aussätzigen (1315 erstmals erwähnt) erhielt von den Landesherren 1345 eine Kapelle, die zunächst der Dorfkirche untergeordnet war, sich aber bereits 1346 verselbständigte. Die Herren von Werle förderten das St. Georgs-Hospital deutlich. Es blieb als Armenhaus erhalten. Daneben gab es noch als drittes die 1430 erstmals bezeugte, vor dem Hageböker Tor befindliche Gertruden-Kapelle (heute Ernst-Barlach-Gedenkstätte) mit Friedhof, deren Bau die Stadtbrände von 1503 und 1508 überlebte. 1509 gründete Herzog Heinrich V. anstelle der abgebrannten Hl.-Blut-Kapelle ein observantes Franziskanerkloster, das bis 1550 bestand.

Der ab 1520 in G. regierende Herzog Albrecht VII. († 1547) war anfangs der Reformation zugeneigt, so konnte die neue Lehre in der Stadt Fuß fassen. In den 1520er Jahren wurde die Hl.-Geist-Kapelle dem ersten evangelischen Pfarrer geöffnet, 1533 folgte die Marienpfarrkirche. Herzog Johann Albrecht I. setzte den Reformator Gerd Oemke († 1562) als neuen Dompropst ein, der zuerst die Schließung des Kollegiatstifts und des Franziskanerklosters durchsetzte und später Superintendent (mit Sitz in G.) wurde. Die an der Stiftskirche bestehende Schule wurde 1552 mit der 1537 an der Pfarrkirche eingerichteten Ratsschule vom Herzog vereinigt und als Domschule neu begründet, die eine größere Bedeutung als Bildungsstätte erhielt; über die Schulaufsicht gab es Differenzen mit dem Stadtrat. 1579 wurde ein eigenes Schulgebäude am Domplatz erbaut. Das Franziskanerkloster wurde später hzl.es Kornmagazin. Die Mecklenburger Landesteilung von 1621 führte zu einem Konfessionswechsel, da der neue Herzog Johann Albrecht II. zum Calvinismus übertrat, diese Lehre aber nicht im Land, sondern nur in der Schlosskirche predigen lassen durfte. 1623 ließ er aus dem abgebrochenen Franziskanerkloster eine reformierte Kirche an der Nordseite des Schlosses erbauen, die bereits von Wallenstein wieder abgerissen wurde.

Die Ehefrau Ulrichs III., Elisabeth von Dänemark, ließ wie in Grabow, Stargard, Bützow und Stavenhagen ein Armenhaus errichten.

In den 1330er Jahren kam es nach einem Hostienschändungsprozess zu einer Judenvertreibung, an Stelle der Synagoge erbaute man 1332 die Hl.-Blut-Kapelle, die zum Gegenstand einer Wallfahrt wurde, deren Einkünfte zwischen dem Stadtherrn und dem Domkapitel geteilt wurden; das Patronat lag bei den Herren von Werle. 1362 überließ der Landesherr seinen Anteil an den Einkünften dem Kapitelpropst. 1426 stiftete Fürst Wilhelm eine weitere Vikarie, 1432 noch weitere sechs Vikarien. Auch hatte es einen jüdischen Friedhof vor dem Hageböcker Tor gegeben, der noch 1363 erwähnt wurde. Im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts kam die Kapelle unter städtische Aufsicht. Als die Kapelle 1503 bei einem Stadtbrand zerstört wurde, stifteten die Herzöge gegen den Widerstand des Domkapitels ein Franziskanerkloster. Mitte des 18. Jahrhunderts wanderten erneut Juden unter landesherrlichem Schutz ein.

(4) Ob die von den Herren von Werle im 13. Jahrhundert angelegte Burg slawische Vorgänger hatte, ist nicht belegt. 1557 brannte sie weitgehend ab. Unter Herzog Ulrich III. (reg. 1555–1603) wurde das Neue Schloss 1558–1566 als Vierflügelanlage im Renaissancestil errichtet, allerdings nicht ganz fertiggestellt, der Nordflügel wurde 1586, der Ostflügel 1594 beendet. Der Lückenschluss erfolgte unter Wallenstein ab 1628 aus dem Material der abgebrochenen reformierten Schlosskirche. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde die Ergänzung wieder abgerissen. Schlossbrücke (der Schlossgraben wurde erst 1562 angelegt) und Torhaus von 1671 markierten den Übergang zur Stadt. Im 18. Jahrhundert verfiel der Bau, 1795 wurden trotz Proteste aus der Bürgerschaft der Ost- und der Nordflügel abgerissen. Am Domplatz befand sich zudem das 1583 erbaute Haus für den Hofmarschall Joachim von der Lühe, in welchem 1629–1631 das Hofgericht unter Wallenstein tagte.

Ein Rathaus wird erstmals 1359 genannt, es lag direkt am Markt. Um 1800 wurde es deutlich erweitert und klassizistisch überformt. Dem Rat unterstand die 1530 erstmals genannte Ratsapotheke am Markt; 1547 wurde sie vom Hofapotheker betrieben, wobei ab 1584 belegt ist, dass dieses im Auftrag des Rats geschah. 1622 wurde sie in einem Anbau des Rathauses untergebracht. Weite Teile der Altstadt sind erhalten, die Bausubstanz stammt zumeist entweder aus der Zeit nach den Stadtbränden von 1503 (nur Burg, Dom, Gertrudenkapelle und einige Häuser am Ziegenmarkt blieben erhalten), 1508 und 1512 oder aus dem Klassizismus. Im Gebäude Mühlenstr. 48, einem zweigeschossigen Backsteinbau des frühen 16. Jahrhunderts, wohnten Wallensteins Statthalter Oberst St. Julian und später Albrecht von Wiengiersky. 1567 wurden die ersten Rohrleitungen zur Wasserversorgung verlegt, eine Wasserkunst auf dem Pferdemarkt folgt 1608.

Stadt und Schloss werden in der über 18 Meter langen, zwischen 1578 und 1586 angefertigten Federzeichnungsrolle des Rostocker Krämers und Chronisten Vicke Schorler (um 1560–1625) dargestellt, die eigentlich die Stadt Rostock zeigt. Als Besonderheit ist ein 1565 erbauter zweigeschossiger Verbindungsgang zwischen Schloss und Kollegiatstift zu erwähnen, der später abgerissen wurde. Auf dem Kupferstich von Matthäus Merian von 1653, der das große Schloss in die Mitte rückt, ist er nicht mehr zu erkennen. Merian bietet zudem einen Grundrissplan, der Schloss mit Garten, Dom, Rathaus mit Pfarrkirche, Stadtmauer und Vorstädte wiedergibt. Ein Vogelschauplan von 1704 zeigt den Verlauf der Stadtmauer, die planmäßige Straßenanlage und die Gartennutzung der Innenhöfe. Das Titelblatt von G. Thiel: Der Dom zu Güstrow (Rostock 1726) gibt eine stilisierte Ansicht wieder, bei der der Dom in die Mitte gerückt ist. Der englische Reisende Thomas Nugent beschrieb seinen Besuch in G. 1766.

(5) G. erwarb eine größere Stadtmark südlich der Nebel: 1293 kaufte es das Dorf Thebbezin, 1323 das Dorf Glevin, 1375 das Dorf Glin. 1449 kam das Dorf Glasewitz hinzu, dass allerdings nicht aufgelöst wurde, sondern zu grundherrlichen Transportdiensten für die städtische Ziegelei herangezogen wurde. Die Grenze des Stadtgebiets markierte eine Landwehr, die u. a. durch Güter führte, die dem G.er Kollegiatstift unterstanden. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts ging das Dorf Alt-G. in die Zuständigkeit des G.er Rats über.

Im Umland von G. veranlasste Herzogin Elisabeth (1524–1586), die Ehefrau Herzog Ulrichs III., 1573 die Aufforstung ein südöstlich der Stadt gelegenes Heidegebiet (Heidberge) durch Tannensaat. Wallenstein ließ auf dem Gutower Werder, einer Insel im Inselsee, eine Fasanerie einrichten. Der Flurname Weinberg südlich der Stadt an der Straße nach Goldberg verweist auf Weinanbau. 1353, 1363 und 1388 beteiligte sich G. an Landfriedensbünden der Herren von Werle, 1453 an einem auf zehn Jahre geschlossenen Bund Mecklenburger Städte. Neben Rostock und Wismar war auch G. in der Beschlussfassung zur Landesordnung von 1516 beteiligt. Noch im 16. Jahrhundert fungierte G. gelegentlich für andere Städte Schweriner Stadtrechts wie Malchow und Krakow als Oberhof. Innerhalb der Landstände erhielt 1708 G. den Titel einer Vorderstadt des Wendischen Kreises (das vormalige Herzogtum Mecklenburg-G. meinend).

(6) Als Residenzstadt wurde G. im 14./15. Jahrhundert durch die Herren von Werle, seit dem 15. Jahrhundert durch die Herzöge von Mecklenburg-G. geprägt, im 18. Jahrhundert war G. Sitz mehrerer oberer Landesbehörden. Insbesondere unter Herzog Ulrich III. gab es weitreichende Eingriffe in die bauliche Gestalt der Stadt. Die Verflechtung von Hof und Stadtgesellschaft ist bisher nicht beschrieben worden. Auf dem G.er Markt wurde z. Zt. Herzog Ulrichs von Lübecker und Hamburger Kaufleuten Waren des höfischen Bedarfs angeboten (Samt, englisches Tuch). Als Besonderheit der Überlieferung sind die Steuerregister ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu nennen, die es erlauben, den Wechsel von Grundstücken in die Hände von Hof- oder Regierungsangehörigen nachzuzeichnen; so kam das Haus Lange Straße 41 1793 in den Besitz des Hofrats Breslach, der aus der vormaligen Hausbrauerei ein Palais machte. In Gleviner Str. 4 wohnten 1630 der fürstliche Appellationsrat Hermann Meyer, später zwei fürstliche Kanzleisekretäre, sodann zwei Ratsherren, ab 1766 der kurhannoversch-britische Hauptmann Melchior von Zeppelin (ein Vorfahre des Luftschifferfinders). Der Leibarzt Herzog Johann Albrechts II. und Stadtphysikus Dr. Paul Berg wohnte ab 1634 im Haus Markt 10, wohl bis zu seinem Tod. Über seine Erben kam es 1704/05 in Händen des Stadtrichters Johann Joachim Karnatz.

(7) Die älteren Bestände des Stadtarchivs Güstrow wurden beim Stadtbrand 1503 so gut wie vollständig zerstört, nur vereinzelt sind Urkunden des 15. Jahrhunderts bewahrt geblieben, sie sind durch Regesten im Stadtarchiv erschlossen, diese auch im LHA Schwerin überliefert. Verfassungsgeschichtlich relevante Texte wurden in einem 1522 begonnenen und bis 1690 geführten Privilegienbuch gesammelt. Die Serie der Steuerregister beginnt mit dem Band 1503–1559. Von der Güstrower Kaufmannsgilde existiert ein 1437 beginnendes Gesellschaftsbuch. Die Überlieferung der Stadt- bzw. Gerichtsbücher beginnt 1506 bzw. 1536. Aus dem 16. Jahrhundert stammt ein Schuldbuch des St. Georgs-Hospitals. Die Vicke-Schorler-Rolle befindet sich im Stadtarchiv Rostock. Der herzogliche Sekretär Johann Monnick behandelte 1514 in seinen Bericht auch die Rechtszustände in G. (Groth, Paul: Die Entstehung der mecklenburgischen Polizeiordnung 1516, in: Mecklenburgisches Jahrbuch 57 (1892) S. 151–321, hier S. 234). Eine Stadtbeschreibung des Jahres 1647 bietet Georg Schede (1580–1650), erschienen in einer Teilübersetzung (Des Magister Georg Schedius, Rektors der Domschule von 1629–1650, Beschreibung der Stadt Güstrow vom Jahre 1647 aus seiner lateinischen Handschrift ins Deutsche übertragen von Hans Marquardt, Güstrow 1911), G. als Hauptstadt und Metropole des Wendischen Kreises bezeichnend. Eine Beschreibung des frühen 18. Jahrhunderts bieten Friedrich Thomas (1665–1718): Analecta Güstroviensia, h. e. De Inclyta Meclenburgensium Civitate Güstrovia Urbium […], Güstrow/Leipzig 1706, sowie die Landesgeschichte des Sternberger Propstes David Frank: Alt- und neues Mecklenburg, 4. Buch [über Städte und Stadtrechte], Güstrow/Leipzig 1753. – Thiele, Gustaff: Der Hoch-fürstl. Dom-Kirchen zu St. Coecilien in Güstrow Fünfhundert Jähriges Alter, Oder: Nachricht, was von […] 1226 bis ins Jahr 1726 […] vorgekommen, Rostock 1726. – Mecklenburgisches Urkundenbuch (1863–1977).

(8)Lisch, Georg Christian Friedrich: Die letzte Residenz der Fürsten von Werle, in: Mecklenburgische Jahrbücher 24 (1859) S. 44–53. – Lisch, Georg Christian Friedrich: Ein Kalands-Buch der Stadt Güstrow, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 44 (1879) S. 3–32. – Krüger, Karl: Die Verfassungsgeschichte der Stadt Güstrow bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts, Diss. phil. Rostock 1933; auch in: Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 97 (1933) S. 1–86. – Blaschke, Bärbel: Aus der Geschichte der Stadt von ihrer Gründung bis zum Jahre 1848. Rechtsverhältnisse und Entwicklungstendenzen der Stadt im Mittelalter, in: Güstrow 1228–1978. Beiträge zur Geschichte der Stadt, hg. vom Rat der Stadt Güstrow, Güstrow 1978, S. 6–21. – Güstrow, mit Fotos von Uwe Seemann und einer Einführung von Anne Spitzer, Leipzig 21986. – Mastaler, Wilhelm: Eine Güstrower Stadtkunde. Mit Beiträgen von Gisela Scheithauer, Annaliese Soltwedel und Margit Wienke, Rostock 1996 (Schriftenreihe des Archivs der Stadt Güstrow, 1). – Jähnig, Bernhart: Art. „Güstrow“, in: Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 12: Mecklenburg-Vorpommern (1996), S. 40–43. – Stuth, Höfe und Residenzen (2001). – Minneker, Ilka: Vom Kloster zur Residenz. Dynastische Memoria und Repräsentation im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Mecklenburg Münster 2007 (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme, 18). – Mastaler, Wilhelm: Die Anfänge der Stadt Güstrow, in: Stier und Greif. Blätter zur Kultur- und Landesgeschichte in Mecklenburg-Vorpommern 20 (2010) S. 22–34. – Rastig, Thomas, Hahn, Melanie, Schöfbeck, Tilo: Güstrow. Kollegiatstift, in: Mecklenburgisches Klosterbuch, Bd. 1 (2016), S. 330–365. – Rastig, Thomas, Schmieder, Stefan: Güstrow. Franziskaner, in: Mecklenburgisches Klosterbuch, Bd. 1 (2016), S. 367–376.

Harm von Seggern