Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Husum (Hüsem)

Husum (Hüsem)

(1) H. liegt am Übergang von der Geest zur Marsch nördlich der H.er Mühlenau. Der Ort ist Anfangspunkt der Straßen nach Flensburg bzw. nach Schleswig, zugleich Durchgangsort der Straße von Tondern nach Heide. Er gehörte mit Beginn der schriftlichen Aufzeichnungen als Teil des Hzm.s Schleswig zum Königreich Dänemark; diese Verbindung wurde mit der Einverleibung in Preußen 1864 gelöst. H. bot zeitweise dänischen Kg.en bzw. Hzg.en zu Schleswig-(Gottorf) Aufenthalt, zuerst im sog. Herrenhaus am Markt, in Privatquartieren und zuletzt im Husumer Schloss, das in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts unter Herzog Adolf (reg. 1544–1586) errichtet wurde und vornehmlich als Witwensitz diente. Zwei der Fs.enwitwen nahmen dort ihren länger währenden Aufenthalt: Augusta, die überlebende Frau Herzog Johann Adolfs von Schleswig-Holstein-Gottorf († 1616), die bis zu ihrem Tod 1639 in H. weilte, und Maria Elisabeth, die Ehefrau Herzog Friedrichs III. von Schleswig-Holstein-Gottorf († 1659), welche von 1660 bis 1684 fast ausschließlich hier residierte. Danach diente das Schloss als Sitz des Amtmanns des Amtes H., H. war ab 1684 Amtsstadt. Als Fürsten- und Amtssitz war das Gebäude vom Stadtgebiet abgeteilt und wurde auch später noch als »Schloss vor H.« bezeichnet.

(2) Die Anfänge H.s liegen im Dunkeln; archäologische Spuren lassen keine kontinuierliche Besiedlung erschließen. Bedeutung gewann H. als Hafen und Verkehrsort im regionalen Wegenetz, als nach der großen Sturmflut von 1362 die Bewohner der nur noch in Resten vorhandenen Insel Strand hier ihre Waren anlandeten, u. a. das aus Seetorf gewonnene Salz sowie Getreide und Vieh (vorher erfolgte der Umschlag vornehmlich in Ripen [dän. Ribe] und Schleswig). Der Besiedlung förderlich war zudem der Umstand, dass H. (wörtlich »bei den Häusern«) an einer Stelle lag, wo die Geest (trockene Sandrücken) nah an die nun weiter ostwärts reichende Nordsee reichte. Von H. bestand der kürzeste Weg nach Schleswig. Weiterer Zuzug nach H. erfolgte nach einer Überflutung der südlich H.s gelegenen Marsch (Schwemmland), zugleich wurde das H. benachbarte Dorf Rödemis angelegt. Den ersten schriftlichen Nachweis H. liefert eine Klageschrift des Landes Dithmarschen aus dem Jahr 1402 über zugefügte Schäden durch Einwohner und regionale Herrschaften in Schleswig und Holstein.

Die ansässige Bevölkerung der Nordfriesen wandte sich nach und nach vom dänischen König ab und erkannte den Herzog von Schleswig als Landesherrn an, der auch H.s Landesherr wurde. Das Gebiet südlich der H.er Au gehörte zur Jurisdiktion der Bischöfe in Schleswig, die dort eine Wassermühle betrieben, die nach ihrer Zerstörung durch die Dithmarscher 1404 dem Herzog zufiel. Seit 1426 nahm der Herzog von Schleswig H. als Basis für die Überwachung der benachbarten nordfriesischen Gebiete (Eiderstedt und Reste der Insel Strand) in Beschlag. Mit dem Friedensschluss 1435 zwischen dem König von Dänemark und dem Herzog zu Schleswig wurden die Besitzverhältnisse zugunsten letzteren festgeschrieben. Eine kurz darauf (1438) durchgeführte Steuererhebung weist 214 Hauswirte auf, was auf knapp 1000 Einwohner schließen lässt. Nachnamen einzelner Bewohner legen einen Zuzug nicht nur aus der näheren Umgebung, sondern aus ganz Norddeutschland nahe. Wirtschaftlich prägten neben der Seefahrt vor allem das Handwerk und das Fuhrwesen das Gemeinwesen. 1441 wird das »Herrenhaus« nördlich des 1432 bezeugten Marktplatzes im Verbund mit Bürgerhäusern genannt; dem Herzog diente es bei seinen Aufenthalten als Unterkunft, ansonsten fungierte ein Hausvogt als örtlicher Amtsträger des Hzg.s. Der Marktplatz lässt auf die Abhaltung eines (oder mehrerer) Marktes (Märkte) schließen, weswegen für H. im Laufe des 15. Jahrhunderts die Bezeichnung Bleck (Marktflecken) üblich wird. Hinweise auf wirtschaftliches Wachstum gewähren Verkäufe von Renten an Einwohner Hamburgs, Lübecks und Enkhuizens (Niederlande). König Christian I. von Dänemark (zugleich Herzog von Schleswig und ab 1461 Graf von Holstein) erlaubte und förderte 1461 Amsterdamer Kaufleuten den (mit einem wenn auch geringen Zoll versehenen) Gütertransport durch H. nach Flensburg und Schleswig, um eine Alternative für den hansischen Transport über Hamburg und Lübeck zu eröffnen.

1465 gestattete Christian I. dem Marktflecken die Wahl eines Dorfvogts, der als Amtsträger den Hausvogt ablöste, und die Wahl von zwölf Ratleuten, die das Ortsgericht bilden sollten, die Anlage eines Palisadenzaunes mit Toren gegen die Zahlung einer Abgabe. Die Bitte der H.er um Verleihung eines Stadtrechts wurde nicht erfüllt. Im Streit Christians mit seinem Bruder Graf Gerhard von Oldenburg unterstützte H. letzteren (1472 sein Quartier nehmend und den Ort befestigend), was nach dessen Unterwerfung mit dem Einzug der Privilegien H.s und der Verhängung eines exorbitanten Strafgeldes endete, deren Abzahlung sich bis ins 19. Jahrhundert hinzog (als sog. Rebellensteuer auf Häusern der Verschwörer lastend). Der wirtschaftliche Aufschwung wurde durch diese Episode nicht unterbrochen, im Gegenteil wurde das Umland durch weitere Eindeichungen vergrößert, 1480 wurde wieder eine Zollstätte in H. errichtet.

Nach Tod König Christians I. wurde sein Sohn Johann I. (dän. Hans) als dänischer König Landes- bzw. Stadtherr, bei der Landesteilung 1490 kam H. (zusammen mit der Südergoesharde, Eiderstedt und Nordstrand) an seinen Bruder Friedrich als Herzog von Schleswig. 1488 erhielt H. Zollfreiheit für die in H. hergestellten Waren, 1495 ein Privileg, das den Handel fremder Kaufleute und Krämer einschränkte, die H.er Kleinhändler also schützte und förderte. Seit 1500 setzte die Ausfuhr von Ochsen in die Niederlande ein, die über einen Seitenzweig des Ochsenweges herangeführt wurden. Herzog Friedrich hielt sich mehrmals in H. auf, die unter seiner Herrschaft getätigten geistlichen Stiftungen und die Verabschiedung einer Luxusordnung können als Ausweis einer prosperierenden Entwicklung verstanden werden. Hierfür spricht auch die Anwesenheit der landesherrlichen Münze in H. (Prägung des H.er Talers), der Münzmeister war als hzl.er Amtsträger von den Steuern befreit (nachgewiesen nur für 1516 und 1526). In H. hielt sich der Schwiegersohn Herzog Friedrichs, Harmen Hoyer (1526 ebenfalls steuerbefreit), auf, in dessen Haus seit der Absetzung König Christians II. 1523 die dänische Kg.skrone aufbewahrt wurde.

Nach seiner Wahl zum König von Dänemark besuchte Friedrich II. (reg. als König 1523–1533) häufig den Ort, der durch Einverleibung der Neustadt westlich des Grauen Klosters, d. h. des Franziskanerklosters, an Einwohnern rasch zugenommen hatte. 1526 wurde nach Abriss einiger Häuser am Hafen der Bau eines Kranes und einer Waage gestattet; in H. waren zu dieser Zeit 40 Schiffe beheimatet. 1537 bestätigte König Christian III. die Amtsartikel der Schuhmacher, Schmiede, Schneider und Bäcker. Bis 1609 stieg die Zahl der Gewerke auf 49 an. Ein Steuerregister von 1543 gibt 1168 Wohnungen an, die Hälfte allerdings Keller und Buden ausmachend, als Hausbesitzer werden 609 Personen genannt; insgesamt dürfte die Einwohnerzahl um die 5–6000 gelegen und sich im weiteren Verlauf der frühen Neuzeit mit krisenbedingten Schwankungen in dieser Größenordnung befunden haben.

1582 erreichte H. die Loslösung des Fleckens aus der Südergoesharde und die Begabung mit einer neuen Gerichts- und Polizeiordnung. In Zukunft sollten ein Präsident und acht Räte die Geschicke innerhalb des nun »Weichbild« genannten Ortes leiten. In der Gemeinde organisierte sich die 1586 gegründete Schützengilde. Stadtrecht erhielt H. 1603 von Herzog Johann Adolf (reg. 1590–1616), womit das Präsidentenamt abgeschafft wurde. Hinfort wurden zwei Bürgermeister gewählt.

Das Stadtsiegel zeigt ein Tor inmitten eines Palisadenzauns, gefüllt mit den beiden schleswigschen Löwen.

(3) Als Kirchengemeinde selbständig wurde H. 1448, als die 1432 gebaute St. Marienkapelle, die eine Filiale der 1304 genannten Kirche des Dorfes Mildstedt war, aus der Mildstedter Pfarre gelöst wurde. Bereits 1438 ist eine Schule in H. nachweisbar, die vermutlich der kurz zuvor geschaffenen Marienkapelle zuzuordnen ist. Bereits um 1433 entstand am östlichen Ende H.s ein St. Jürgens-Hospital mit einer Kirche. Die Marienkirche war mit einem Haupt- und 24 Nebenaltären reich ausgestattet. 1495 wurde das Franziskanerkloster (Graue Kloster) gegründet, welches im Norden H.s lag, während die Dominikaner von Schleswig schon vorher ein Haus in H. als Niederlassung besaßen; es wurde während der Reformation 1528 einem Kammerdiener der Herzogin übertragen. 1525 hatte ein Teodoricus »von Metelen« von König Friedrich I. den Auftrag erhalten, in H. die evangelische Lehre zu verkünden. Jenem gelang es, Hermann Tast (einen der Vikare in der Marienkirche) für die lutherische Sache zu gewinnen; 1529 wurde er Kirchherr zu H. Bereits 1528 hatte König Friedrich I. das verlassene Franziskanerkloster bis auf das »lange Haus mit dem Chor« dem Flecken H. zur Unterhaltung der Armen überlassen. 1529 stattete Friedrich das im ehemaligen Kloster eingerichtete Hospital mit einem Kapitalstock zur Unterstützung aus. Gleiches erfolgte zwecks Unterhaltung der Schule (Neubau 1531) und der Lehrkräfte. Das »lange Haus« kam 1537 endgültig an das Gasthaus. Herzog Adolf (reg. 1544–1586) ließ das Gasthaus abbrechen und an gleicher Stelle bis 1582 ein Schloss erbauen. Die Armen zogen in die Gebäude des vergrößerten St. Jürgens-Hospitals um.

(4) Die Erhebung zum Flecken im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts zog den Bau eines Rathauses nach sich, das bis 1601 an der Großstraße entstand und gleichermaßen als Verwaltungs- bzw. Gerichtssitz diente. Eine Durchfahrt gestattete den direkten Weg zum nördlich gelegenen Gasthaus bzw. ab 1582 zum Schloss. Zahlreiche steinerne Bürgerhäuser im Umkreis des Marktes und der Kirche zeugen mit ihren Treppengiebeln im Renaissancestil (z. T. bis heute erhalten) von einem Repräsentationsbedürfnis der Oberschicht. Impulse für Bauwesen, Wissenschaft und Kultur gingen vor allem von den Hzg.switwen Augusta (1616–1639) und Maria Elisabeth (1660–1684) aus, die auch das Bürgertum zu großen Anstrengungen verleiteten. Die für das Schloss angeschafften Gegenstände sind nach 1684, als das Gebäude zeitweise ungenutzt blieb, bis auf wenige Bilder und die eingebauten prunkvollen Kamine verschwunden. Die spätgotische St. Marienkirche, deren Turm 1507 die endgültige Höhe von 96 Metern erreicht hatte, wurde 1807 durch eine klassizistischen Neubau ersetzt.

Einen Eindruck vom Aussehen H.s vermitteln die Abbildungen im Städteatlas von Braun/Hogenberg 1588, die auch das Schloss zeigen (IV, 33,1 und V, 34,2).

(5) H. lag als Teil der Südergoesharde im Amt Gottorf. Um 1400 wurde der Gerichtsplatz der Harde nach H. verlegt, gelangte dann jedoch nach Verleihung der Privilegien wieder in das Umland. 1609 wurde das Amt H. der Herzogin Augusta als Leibgedinge übergeben; aus ihm zog der H.er Hof seine nie genügenden Einkünfte. Seit Beginn des 17. Jahrhunderts begann H. an wirtschaftlicher Bedeutung zu verlieren. Einerseits erwuchs durch den Ausbau des Tönninger Hafens 1613 und der Gründung Friedrichstadts 1621 ernsthafte Konkurrenz, weitaus nachteiliger waren jedoch die Einquartierung wallensteinscher Truppen 1627–1629 und die danach bis 1713 folgenden Militäraktionen. Entscheidend für das Wirtschaftsleben war die große Flut von 1634, bei der viele H.er Marschländereien verloren und ihre u. a. an Bewohner der Insel Alt-Nordstrand ausgegebenen Kredite. Kornausfuhrverbote taten ein übriges; der Ochsenhandel wurde besonders im 18. Jahrhundert durch die Rinderpest stark reduziert. Die faktische Rolle als Nebenresidenz im 17. Jahrhundert warf allenfalls einen oberflächlichen Glanz auf die Stadt, die darüber hinaus religiöse Streitigkeiten zwischen Lutheranern und religiösen Schwärmern erlebte.

(6) Als Residenzstadt im engen Sinn lässt sich H. für das 17. Jahrhundert bezeichnen, als der Ort, der seit 1603 Stadtrecht hatte, für mehrere Jahrzehnte Witwensitz war. Als Flecken erlebte H. jedoch eine große wirtschaftliche Blüte, nachdem es ab 1362 zum Hafenort wurde, der eine besondere Förderung seitens der Landesherrn, seien es die Herzöge von Schleswig oder die dänischen Könige in ihrer Rolle als Herzöge, erfuhr. Zeugnis der wirtschaftlichen Blüte ist die Einwohnerzahl von ca. 5–6000, die sich für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts wahrscheinlich machen lässt; H. war damit deutlich größer als manche Städte. Eine größere Autonomie vermochte H. dennoch nicht zu erreichen. Hafenwirtschaft, Handel und Handwerk prägten den Ort im 16. Jahrhundert, als H.er Kaufleute Verbindungen im mittleren und nördlichen Europa unterhielten. Seit 1627/1634 beschränkte sich der Handel auf die nähere Umgebung; gleiches galt für die kulturelle Ausstrahlung, insbesondere als kirchliches Verwaltungszentrum und seitens der Lateinschule, die bis 1852 bestand.

(7) Urkunden und Akten zur Geschichte Husums finden sich im Landesarchiv Schleswig-Holstein, im Stadtarchiv Lübeck, im Stadtarchiv Husum und im Archiv der St. Marienkirche.

Lass, Johannes: Sammelung einiger Husumischen Nachrichten, Flensburg 1750 ff., [ND St. Peter-Ording 1981]. – Henningsen, Johannes: Stiftungsbuch der Stadt Husum, Husum 1904. – Möller, Ernst: Husumer Urkundenbuch 1429–1609, Husum 1939. – Panten, Albert: Die Hauswirte Husums im Jahre 1438, in: Familienkundliches Jahrbuch Schleswig-Holstein 20 (1981) S. 5–12. – Panten, Albert: Eine Chronik der Stadt Husum von 1639 und Dokumente zur Gründung der Kirche, in: Neues Friesisches Archiv 1 (2003) S. 95–108. – Panten, Albert: Ergänzungen aus den Jahren 1402 bis 1480 zum Urkundenbuch zur Geschichte des Landes Dithmarschen, Heide 2012. – Panten, Albert: Rentebuch der St. Marienkirche zu Husum 1531, in: Neues Friesisches Archiv 2 (2013) S. 37–48. – Steuerregister von 1543, in: Archiv der St. Marienkirche in Husum, Repertorium von 1963, S. 23, Kirchenrechnung 1543 (falsch deklariert).

(8)Christiansen, Ulrich Anton: Die Geschichte Husums, 2 Tle., Husum 1903/04. – Schloß vor Husum, hg. von Konrad Grunsky, Husum 1990. – Giese, August: Schriften zur Geschichte und Verfassung Husums im 17. Jahrhundert, bearb. von Klaus Schuhmacher, Bredstedt 1998. – Schulz, August: Mitteilungen aus der Vergangenheit der Stadt Husum und Umgebung, hg. von Jürgen Dietrich und Konrad Grunsky, Bredstedt 2003. – Geschichte Husums, hg. von der Gesellschaft für Husumer Stadtgeschichte, Husum 2003. – Beiträge zur Husumer Stadtgeschichte, hg. von der Gesellschaft für Husumer Stadtgeschichte Husum 1988 ff.

Albert Panten