Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Waren (Müritz)

Waren (Müritz)

(1) W. entstand an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert im Zuge der deutschrechtlichen Kolonisierung des Landes anstelle älterer slawischer und noch bis ins 13. Jahrhundert bewohnter Siedlungen am südwestlichen Ufer der Binnenmüritz (bei dem späteren Ortsteil Kamerun) und an bzw. in dem Feisnecksee. Die slawische Niederungsburg auf der Insel im Feisnecksee wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt auf den Landrücken zwischen der Müritz im Süden und dem Tiefwaren-See im Norden verlegt. Erste Besiedlungsspuren auf dem Festland verweisen auf das Jahr 1175. Westlich von der Burgsiedlung entstand eine Kaufmannssiedlung, die noch 1458 Nienstadt (Neustadt) genannt wurde. W. lag an einem vom Westen Mecklenburgs in die östlichen Landesteile und nach Pommern führenden Handelsweg.

Der Ort war seit der ersten mecklenburgischen Landesteilung 1235 Teil der Herrschaft Werle, die bis 1436 bestand. Erster Herr war Nikolaus I. († 1277). Unter seinen Nachfolgern, die sich immer wieder in W. aufhielten und Urkunden ausstellten und 1294 W. zum Sitz eines Vogtes machten, kam es mehrmals zu Erbteilungen und Wiedervereinigungen; zwischen 1347 und 1426 bestand eine eigene Linie Werle-Waren, deren erster Herr Bernhard II. (ca. 1320–1382, reg. ab 1347) war; 1374 übernahm er auch die Linie Waren-Goldberg. Eine feste Residenzbildung ist unter ihm nicht festzustellen. In W. residierte jedoch ständig sein Sohn Johann VI. (reg. 1382–1385), der von hier aus auch den Goldberger Teil regierte. Auch unter seinen Nachfolgern, die sich ab 1404 Fürsten nannten, blieb W., seit 1389 Münzstätte, Mittelpunkt der mittlerweile höchst verschuldeten Herrschaft. Ab 1418 nannten sich alle Herren von Werle auch Fürsten zu Wenden. Der letzte Herr zu W., Christoph, starb 1426 bei der Schlacht von Pritzwalk im Rahmen der sog. Putlitzer Fehde gegen den Markgrafen von Brandenburg. Da er erbenlos war, fiel W. an die Güstrower Linie der Herren von Werle, 1436 weiter an die Herzöge von Mecklenburg.

(2) Die Frühgeschichte W.s als Stadt ist aufgrund der spärlichen Überlieferung nur undeutlich zu erkennen. W. wuchs wohl bis Mitte des 14. Jahrhunderts aus zwei Siedlungskernen zusammen und wurde 1218 in einer allerdings gefälschten Urkunde als Mittelpunkt eines Landes (terra) bezeichnet. Die Entwicklung W.s zur Stadt dürfte Mitte des 13. Jahrhunderts abgeschlossen, eine Bewidmung mit Schwerin-Güstrower Recht zu dieser Zeit wahrscheinlich sein. Auch über die Errichtung der frühdeutschen Burg gibt es keine Belege, 1274 (Erwähnung der Burgkapelle) muss es sie gegeben haben. 1272 erhielt W. von Nikolaus I. ein Drittel der Gerichtsgebühren, so dass W. Gerichtsrechte gehabt haben muss (vollständig erst in der Residenzzeit 1404). 1273 bestätigte er dem Kloster Broda das Patronat über die W.er Kirche, die spätere Georgskirche. W. profitierte von der Parteinahme zugunsten Nikolaus’ II. während der innerdynastischen Wirren nach der Ermordung Heinrichs I. durch seine Söhne. Nikolaus entmachtete die Mörder seines Onkels, der Stadt W. bestätigte er den Besitz eines umfangreichen Waldes östlich der Müritz, des späteren W.schen Wohldes. Erweitert wurde der Stadtbesitz 1306 durch Kauf von Fischereirechten auf der Müritz und dem Feisnecksee, die den Herrn von Werle gehörten; in der hierüber ausgestellten Urkunde wird ein Schulmeister als Zeuge angeführt. 1325 durfte W. mit Zustimmung der Herren das Dorf Glewitz für die städtische Feldmark erwerben. Zeugnis der frühen Stadtwerdung ist neben Stadtummauerung (für 1333 belegt) die Rolle für das Leineweberamt 1334, die erste Zunftordnung in W., und das große Stadtsiegel, mit der W. die Bürgschaft für einen Waffenstillstand Nikolaus’ III. 1344 versah, zugleich Indiz für die politische Absicherung der Herren von Werle bei den Städten (Güstrow tat das Nämliche).

Wohl um die Mitte des 14. Jahrhunderts war die Vereinigung der ursprünglichen Siedlungskerne abgeschlossen. Indiz eines gelenkten Vereinigungsprozesses ist die Überformung beider Kerne mit einem gleichförmigen, gitterförmigen Stadtgrundriss, der als Mittelpunkt den Markt aufwies. Das ehedem verliehene Stadtrecht konnte durch Kauf und Erteilung weiterer Rechte und Privilegien ausgebaut und verändert werden. Wirtschaftlich dürfte W. davon profitiert haben, dass es Zentralort mit Markt für die regionale Landwirtschaft und das lokale Handwerk war, zudem dürfte der herrschaftliche bzw. fürstliche Haushalt der Burg als Großnachfrager gewirkt haben. Die in der ansehnlich vergrößerten Feldmark Landwirtschaft treibenden Bürger prägten den halbagrarischen Charakter. Als Bernhard II. 1350 dem W.er Bürgermeister Nicolaus auf dem Berge Ländereien zu Varchentin verkaufte, werden erstmalig Amt und Titel eines Bürgermeisters explizit genannt. Mit dem Erwerb des Dorfes Falkenhagen 1428 gelang die letzte größere Erweiterung der Stadtflur.

(3) Schon die frühen, vorstädtischen Siedlungskerne besaßen Kirchen: In der westlichen Kaufmannssiedlung, der Neustadt, befand sich die Georgenkirche (1270 erstmals erwähnt), im Umfeld der östlichen Burg gab es eine Kapelle, die spätere Marienkirche (als solche ebenfalls 1270 erstmals erwähnt). Die Baugeschichte der Marienkirche ist nicht bekannt, die Georgenkirche wurde mit der Errichtung des Turms 1414 weitgehend abgeschlossen; die Hl. Geist-Kapelle wurde 1426 an der Südseite angefügt. Trotz des Zusammenschlusses der ursprünglichen zwei Stadtteile wurden die Pfarrgemeinden nicht vereint. Insbesondere die Georgenkirche wurde von der entstehenden Stadtgemeinde gefördert. Das Patronatsrecht über beide Kirchen lag 1273 beim Kloster Broda. Die Lage W.s an der Grenze der Bm.er Havelberg und Schwerin und die mögliche Zugehörigkeit des Landes Waren zu den brandenburgischen Markgrafen zwischen 1270 und 1290 war vielleicht die Ursache, dass 1284 sowohl ein Havelberger als auch ein Schweriner Geistlicher in W. residierten. W. blieb bis zur Reformation Sitz eines Archidiakons (erstmal 1282 erwähnt).

In W. wurde kein Kloster gegründet. 1436 wird ein Kaland erwähnt, über dessen Wirken aber ebenso wie über Hospitäler nichts bekannt ist.

(4) Die hochmittelalterliche Burg wurde vom 13. bis ins frühe 15. Jahrhundert intensiv von den Herren von Werle genutzt, was vermutlich eine ganze Reihe von Umbauten und Erweiterungen zur Folge gehabt haben dürfte. Insbesondere die Selbsterhöhung der Herren von Werle zu Fürsten im frühen 15. Jahrhundert dürfte sich irgendwie baulich niedergeschlagen haben. Nach Übernahme durch die Herzöge von Mecklenburg wurde der Burghof an die Marienkirche in der Neustadt verkauft. Die Gebäude sollen noch bis Ende des 15. Jahrhunderts gestanden haben, ehe sie komplett niedergelegt wurden.

Nahezu alle Häuser der Stadt bis auf die beiden Kirchen sind den Stadtbränden des 17. Jahrhunderts zum Opfer gefallen. Den letzten Brand 1699 überstanden nur zwölf Häuser, u. a. auch das sogenannte Alte Rathaus aus der Zeit um 1400 am Alten Markt bei der Georgenkirche, das als das älteste profane Bauwerk der Stadt bis heute erhalten ist, allerdings seit dem Bau eines neuen Rathauses auf dem Neuen Markt bereits spätestens im 17. Jahrhundert überformt wurde.

(5, 6) Über die Vernetzung W.s mit dem näheren und ferneren Umland ist wenig bekannt. Handelsbeziehungen nach Rostock sind belegt. Zudem wird W. mehrmals als Gerichtsort mit dem Rat als Vermittler ausgewiesen, was die Zentralität W.s und die Stellung des W.er Rates unterstreicht. Wie andere Städte auch wurde W. als Bürge für die Stadtherren herangezogen und war überdies verpflichtet, im Streitfall die Herren mit Bewaffneten zu unterstützen. Die vergleichsweise günstige Lage W.s führte zu einem Bedeutungsvorsprung vor anderen Orten der Werleschen Herrschaft. W., von der Einwohnerzahl her – ca. 600 im frühen 14. Jahrhundert – als Kleinstadt zu bezeichnen, fungierte nur für kurze Zeit als Residenzstadt der kleinen Werleschen Herrschaft. Unter den Hzg.en von Mecklenburg verlor W. sichtlich an Bedeutung, es war nicht einmal mehr Sitz eines Vogts bzw. eines Amtmanns.

(7) Archivalien und Dokumente zur Geschichte Warens befinden sich Mecklenburgischen Landeshauptarchiv Schwerin. Urkunden bis 1400 sind im Mecklenburgischen Urkundenbuch veröffentlicht.

Rudloff, Friedrich August von: Pragmatisches Handbuch der Mecklenburgischen Geschichte, Bde. 1–3, Schwerin/Wismar 1786–1822. – Mecklenburgisches Urkundenbuch (1863–1977).

(8)Dankert, Johann Carl Christian: Geschichtliche Nachrichten über Waren, in: Warener Wochenblatt (1841 ff.). – Lisch, Georg Christian Friedrich: Die letzte Residenz der Fürsten von Werle, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 24 (1859) S. 44–53. – Schlie, Kunst- und Geschichtsdenkmäler (1896–1902). – Struck, Wolf-Heino: Die Geschichte der mittelalterlichen Selbstverwaltung in den mecklenburgischen Landstädten, Halle a. d. Saale 1938, auch als Beiheft der Mecklenburgischen Jahrbücher 101 (1937). – Deppe, Hans-Joachim: Frühe Spuren zur Besiedlung der »terra zlone« im 12. und 13. Jahrhundert, in: Archäologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern 3 (1996), S. 105–113. – bei der Wieden, Helge: Art. „Waren“, in: Handbuch der Historischen Stätten, Bd. 12: Mecklenburg-Vorpommern (1996), S. 130 f. – Heck, Uwe: Stände und frühe ständische Aktivitäten in Mecklenburg. Von der Mitte des 12. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, Rostock 1999.

Jürgen Kniesz