Residenzstädte im Alten Reich (1300-1800)

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Lüneburg

Lüneburg

(1) L. gilt heute vornehmlich als Hansestadt (seit 2007 offizielle Benennung). Jedoch hatte L. auch eine Funktion als Residenzstadt. Für längere Zeit (sicher ab 1371 bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts) konnte sich L. dem stadtherrlichen Zugriff entziehen und wird deshalb »quasi als Reichsstadt« bezeichnet (Hergemöller im LexMA), in seinen Außenbeziehungen agierte die Stadt in diesen Jahren primär im Kontext der Hanse. Wirtschaftlich prägend war die Salzproduktion, die im 10. Jahrhundert sicher belegt ist. Sie wurde dadurch ermöglicht, dass L. auf einem Salzstock entstand, bei dem auf natürlichem Weg Sole zutage trat. Die Stadt, am Fluss Ilmenau gelegen, die südlich Hamburgs in die Elbe mündet, entwickelte sich unterhalb einer vor Hochwasser geschützten und gut zu verteidigenden Burg auf dem Kalkberg. Das erste Mal wurde L. 795 als Hliuni erwähnt; in frühmittelalterlichen Quellen wird L. mitunter mit dem fünf bis sechs Kilometer weiter Ilmenau-abwärts gelegenen Bardowick verwechselt. Zu dieser Zeit dürfte es in L. einen slawischen Siedlungskern gegeben haben. Höchstwahrscheinlich unterlag die Salzgewinnung bereits früh der Kontrolle regionaler Machthaber.

L. hatte eine frühe Bedeutung unter den Billungern während des 10. Jahrhunderts bis 1106 als Ort einer Burg und des Hausklosters mit Erbbegräbnis, dem Michaeliskloster (956). Von 1030 bis ca. 1060 und unter Herzog Magnus († 1106) gab es eine Münzstätte. Bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts blieb Bardowick wirtschaftlich führend. Über mehrere Erbgänge kam L. in die Hand des bayerischen Welfen Heinrichs des Löwen (Belehnung 1142, auch mit Braunschweig und dem sächsischem Hzm.). Er favorisierte L. vor Bardowick. L.s wirtschaftliche Stellung wurde durch die Zerstörung Bardowicks 1189 weiter gefördert. Allerdings baute Heinrich der Löwe nach 1151 das im Herzogtum Sachsen zentraler gelegene Braunschweig aus. Trotz Sturz und Vertreibung Heinrichs des Löwen aus seiner Machtstellung 1180–1189 blieb L. als Eigenbesitz in Händen der Welfen. Mehrmals bezeichneten sich seine Söhne als Herzöge von L., der Ort blieb zudem Münzprägestätte. Vereinigt wurde der welfische Besitz in den Händen Ottos I. (bzw. Otto des Kindes), der sich 1235 auf einem Hoftag mit dem Staufer Kaiser Friedrich II. aussöhnte und seine Stellung als Herzog von Braunschweig-L. und Reichsfürst politisch-rechtlich absicherte. Unter seinen Söhnen wurde 1267 erneut zwischen Braunschweig und L. geteilt, L. war hinfort Haupt- und Residenzort der L.er Linie bis zum Tod Herzog Wilhelms 1369, mit dem das sog. »Alte Haus L.« ausstarb. Trotz dieser und anderer Teilungen wurde das Herzogtum als rechtliche Einheit betrachtet. Um die Nachfolge entstand der L.er Erbfolgekrieg 1370–1388 zwischen der Braunschweiger Linie der Welfen und den dynastisch verbundenen und Erbansprüche erhebenden Hzg.en von Sachsen-Wittenberg, auf deren Seite sich die Stadt L. stellte. Der Versuch des Braunschweiger Hzg.s Magnus II. Torquatus (mit der Kette), 1371 die Burg auf dem Kalkberg auszubauen, führte zur handstreichartigen Einnahme durch ein städtisches Aufgebot. Der Versuch der Wiedereinnahme am 21. Oktober 1371 (St. Ursulanacht) führte zu heftigen Straßenschlachten und scheiterte schließlich, was den definitiven Beginn der städtischen Selbständigkeit bedeutete. Nachträglich wurde die Inbesitznahme des Kalkbergs durch einen Kauf legalisiert, die Burg später geschleift, das Michaeliskloster in die Stadt auf ein hzl.es Gelände verlegt. Die Landesherren zogen sich in andere Städte des L.er Landes zurück, vor allem nach Celle. In L. konnten sie ihre Interessen weiterhin durch einen Vogt vertreten lassen. Für Aufenthalte der Herzöge in der Stadt gab es seit 1381 lediglich einen Hof (Ecke Reitende Dienerstraße/Ochsenmarkt) ohne Küche; zu versorgen hatte sich der fürstliche Haushalt aus dem Ratskeller. Zwar verloren die Askanier 1388 und damit auch L. die Entscheidungsschlacht bei Winsen/Luhe, doch gelang es der Stadt ihre Privilegien, aber auch die der anderen Städte im Territorium, gegen das erfolgreiche welfische Haus zu behaupten (L.er Sate 1392).

Der Einfluss der Herzöge von Braunschweig-L. wurde in der Zeit um 1500 wieder stärker: L.s Salzhandel war vom Transport durch das Umland abhängig, was die Fürsten sich allmählich zu Nutze machten: Mit dem »Goldenen Kompromiß« (1504) wurden Differenzen in Bezug auf die hzl.en Pfandschlösser beigelegt und der Rat akzeptierte wieder die Erbuntertänigkeit, 1517 verlor L. seine politischen Vorrangstellung im Fürstentum, 1520 ließ der Rat zu, dass Herzog und Landschaft aus den Bestimmungen der Sate entlassen wurden, dem zur Zeit regierenden Herzog Heinrich d. Mittl. (reg. 1486–1520) wurde gehuldigt. Während der Reformation (1529–1533) konnte L. in Auseinandersetzung mit Herzog Ernst dem Bekenner (reg. 1521–1546) nochmals kurzfristig seine Unabhängigkeit vom Landesherrn zeigen, der im Gegenzug versuchte, die Stadt durch Eintreibung der Reichssteuern, Einschränkung der Privilegien und neue Gerichtsstrukturen mittelbar stärker an sich zu binden, zudem geistliche Einrichtungen wie das Michaeliskloster einzuziehen beabsichtigte. Der Zugriff des Landesherrn auf die Stadt wurde durch einen 1562 geschlossenen Vertrag verschärft, der die Stadt zwang, den Hzg.en Heinrich und Wilhelm von Braunschweig-L. 85.000 Taler zu zahlen, die städtischen Privilegien minderte und die Einführung von Huldigungen vorsah (zu denen es aber zunächst nicht kam). L. war fortan steuerpflichtig, das Salzmonopol im Herzogtum wurde aufgehoben. Mit dem Rezess von Lüne 1639 wurde die Stadt völlig der Landesherrschaft unterstellt, L. wurde Landstadt, nun setzten Huldigungen ein. Auf dem Kalkberg wurde, nach dem die Schweden dies 1636 vorweg genommen hatte, eine Garnison stationiert, die auf Druck des Rates 1651 aufgelöst wurde. In den 1690er Jahren ließ Herzog Georg Wilhelm (reg. im Fürstentum L. 1665–1705) an der Nordseite des Markplatzes in direkter Nachbarschaft zum Rathaus ein Schloss (1695–1698) errichten, das 1706–1717 als Witwensitz für dessen Gattin Eleonore d’Olbreuse († 1722) diente. Mit dem Tod Herzog Georg Wilhelms 1705 ging das Fürstentum L. und somit auch L. an das 1692 mit der Kurwürde versehene Hannover über. Nach Wegzug von Eleonore d’Olbreuse nach Celle erhielt L. vom Landesherrn keinerlei symbolische oder faktische Kompensation, L. wurde Landstadt.

(2) Die frühe Stadtentwicklung L.s ist wegen seiner zahlreichen Baudenkmäler, von denen sich viele einer Baukonjunktur des 16. Jahrhundert verdanken, schwierig nachzuzeichnen. Traditionell führt man die Stadtentstehung auf drei bzw. vier Siedlungskerne zurück: 1. auf den Kalkberg nebst Burg und suburbium, 2. auf die Saline (St. Lamberti-Kapelle), 3. auf die Siedlung »Modestorpe« an der Ilmenau, die sich hier mit Hilfe einer Furt, später Brücke, überqueren ließ, und in Beziehung zur wohl im Kern karolingischen Taufkirche St. Johannis stand, sowie 4. auf den Hafen an der Ilmenau, den sog. »Stint«. Eine differenzierte chronologische Entwicklung vom 10. bis zum 13. Jahrhundert ist nach gegenwärtigem Forschungsstand nicht zu erkennen (E. Ring). Auch der archäologische Befund ist relativ lückenhaft. Erst ab der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts wird die Überlieferung deutlicher: Für 1274 ist das Bardowicker, für 1288 das Rote Tor bezeugt, die die Nord-Süd-Ausdehnung L.s begrenzten. Nicht genau zu lokalisieren sind die Tore im Westen, das Grimmer Tor (Saline) und das Tor am Kalkberg (beide 1283 erwähnt). Im Osten wird das Siedlungsareal durch die Ilmenau begrenzt. 1254 wird eine Befestigung mit Palisaden erwähnt, später zu einer mächtigen Maueranlage ausgebaut. Der zentrale und sehr große rechteckige Platz »Sand« existiert bis heute. Er diente zur Frischwasserversorgung, war Stell- und Umschlagplatz für den Landhandel; obwohl dort auch Bauholz verkauft wurde und es an der östlichen Seite Fischbänke gab, war er kein Marktplatz. Ausgehend von diesen vier Siedlungskernen begann im frühen 13. Jahrhundert die Bebauung der Flächen, die höchstwahrscheinlich bis zu dieser Zeit unbebaut geblieben waren. Zu der nun entstehenden Bebauung gehörte ein »Siedlungsareal der Juden« (E. Ring) zwischen Vierorten und Neue Straße. Der spätmittelalterliche Mauerring bildete bis zum 19. Jahrhundert die Grenze der Stadtentwicklung, wobei die Siedlungsdichte und Parzellenstruktur unklar bleiben.

Hzg. Otto (das Kind) verlieh 1247 den Bürgern L.s Rechte und Zuständigkeiten, über die sie wohl bereits seit längerem verfügten, allerdings ohne eine Ratsverfassung im engeren Sinn zu etablieren. Erst im weiteren Verlauf des 13. Jahrhunderts wurde eine Ratsverfassung geschaffen. Damit einhergehend wurden die hzl.en Rechte und das Amts des Vogts als Vertreter des Stadtherrn zunehmend eingeschränkt und schließlich 1369 mit der Übernahme der Vogtei unter Herzog Wilhelm (reg. 1330–1369) ganz verdrängt. Die Stadtregierung bestand aus vier Bürgermeistern (jeweils zwei amtierend) und 24 Ratsmannen (zwölf amtierend), die sich durch Kooptation ergänzten. Die Gerichtsbarkeit war mit der Vogtei ausschließlich auf den Rat übergegangen, der städtische Vogt und die aus dem Rat stammenden »Vorspraken« fungierten nun als Nieder- bzw. Marktgericht, der Rat unter Vorsitz der Bürgermeister als Obergericht, das in der Gerichtslaube des Rathauses tagte. Die Hochgerichtsbarkeit erlangte die Stadt erst durch eine erneute Verpfändung der Vogteirechte 1493. 1686 wurde diese Gerichtsverfassung durch eine hzl.e Gerichtsordnung im Wesentlichen bestätigt. In der Reformation hatte der von den Sülfmeistern (siehe unten) als »Patriziat« getragene Rat bereits seine innerstädtische Autonomie eingebüßt. Wie gelegentlich schon früher kurzfristig praktiziert, wurde aus der allgemeinen Bürgerschaft ein Ausschuss konstituiert und Nicht-Sülfmeister in den Rat beordert. Die zunehmende Schriftlichkeit, aber auch das Agieren des Rates im System der Hanse, führte zur Einstellung von Ratssyndici und Sekretären. Ratsfähig waren die Sülzmeisterfamilien; Handwerker wurden erst sukzessive seit 1568 ratsfähig.

1293 übernahm der L.er Rat mit einem Konsortium von Prälaten (u. a. dem Abt des Michaelisklosters), Rittern und anderen Landsässigen von Herzog Otto II. dem Strengen (reg. 1277–1330) die seit dem Hochmittelalter bestehende Münze. 1381 wurde L. Mitglied des »Wendischen (genauer Lübischen) Münzvereins« und gehörte bis 1569 zu den Garanten einer stabilen Münzwährung als Basis für weite Teile des hansischen Handels.

Mit dem Rezess von 1639 sicherte sich der Landesherr die Kontrolle über alle innerstädtischen Angelegenheiten, Privilegien und Freiheiten galten nur noch so weit, wie sie dem landesherrlichen Diktum nicht entgegenstanden. Rat und Ratsämter konnten nun neben den Patriziern (Sülfmeistern) auch von der gemeinen Bürgerschaft (v. a. die Gilde- und Zunftleute) besetzt werden. Faktisch hatte L. damit eine neue (Stadt-)Verfassung erhalten. Letzte Reste der alten Freiheit blieben der Stadt im Kirchenregiment und bei der Revision des Stadtrechtes 1778.

»Quelle« (im wahrsten Sinne des Wortes) des L.er Wohlstands war die Saline (Sülze). Der oberflächennahe gelagerte Salzstock befindet sich noch heute unterhalb der westlichen Altstadt. Er wurde von Grundwasser durchspült, so dass die Sole über den Sod, einen Brunnen, im Handbetrieb zu Tage gefördert werden konnte (täglich etwa 250 m3), woraufhin sie in holzbefeuerten Siedepfannen verdampft wurde; spätestens ab 1263 bestand die Saline aus 54 Siedehütten mit 216 Siedepfannen. Der Entzug der Sole führte über die Jahrhunderte hinweg zu einem Absinken des Grundwasserspiegels, weswegen die westlichen Teile L.s zu einem Senkungsgebiet mit erheblichen Bergschäden wurden. Noch heute gefährdet dies den Baubestand.

Im Laufe des 13. Jahrhunderts zeichnete sich ein Übergang der Salinengerechtsame von den Landesherren auf die »Salzbegüterten« ab. Die Herzöge gaben die Salzgerechtsame vor allem an Kirchen, Klöster und sonstige kirchliche Einrichtungen der näheren und weiteren Umgebung ab. Die so bepfründeten kirchlichen Einrichtungen (Sülzprälaten) bewirtschaften ihren Anteil jedoch nicht selbst, sondern verpachteten sie an vermögende L.er Familien, die in der Lage waren, die erheblichen Pachtsummen vorzuschießen. Diese weltlichen Pächter wurden »Sülfmeister« (Salzsieder) genannt und entwickelten sich zu einem »Patriziat«. Nicht unbedeutend waren ferner die L.er Brauer und Bierhändler sowie eine breit aufgestellte Kaufmannschaft, die sich nicht direkt am Salzhandel beteiligte, aber z. B. überregionalen Heringshandel betrieb. Eine ausdifferenzierte Handwerkerschaft, darunter die für den Salzhandel unverzichtbaren Böttcher, aber auch Kunsthandwerker (u. a. Goldschmiede, Zinngießer) und die zahlreichen Betriebe für die Versorgung der Bevölkerung, ergänzten die Wirtschaftskraft. Die Saline (Produktionseinstellung 1980) verlor seit dem 16. Jahrhundert an Bedeutung, blieb aber zunächst größter Betrieb der Stadt. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts erlangte der Fern- und Speditionshandel eine gewisse Bedeutung.

(3) Die kirchliche Entwicklung war durch zwei ältere (Pfarr-)Kirchen geprägt: In der Ansiedlung unterhalb des Kalkberges gab es die wohl in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts gegründete Pfarrkirche St. Cyriacus. Außerhalb dieses Siedlungskerns lag die ältere, karolingerzeitliche St. Johannis-Kirche, die Sitz des bfl.-verdener Archidiakonats Modestorp war; 1174 erstmals direkt erwähnt, erwarb der Rat 1406 das Patronat über diese Kirche (Bestrebungen des Verdener Bf.s und des Domkapitels, den Diözesan-Hauptsitz nach L. zu verlegen und St. Johannis zur Kathedrale zu erheben, wurden damit neutralisiert). Nach dem Bedeutungsverlust von St. Cyriacus blieb St. Johannis nunmehr einzige Pfarrkirche der Stadt, während alle anderen Kirchen entweder einem Kloster gehörten oder den Rang einer Kapelle hatten. Für eine Stadt mit um 1450 etwa 14.000 Einwohnern war dies ungewöhnlich. Der heutige bauliche Kern von St. Johannis stammt aus dem 12. Jahrhundert, noch im 14. Jahrhundert wurde sie zu einer gotischen Hallenkirche erweitert.

Ursprünglich auf dem Kalkberg gelegen, übte die Kirche des St. Michalisklosters für die Burg pfarrkirchliche Funktionen aus. 1371 wurde die Klosteranlage geschleift und in die Stadt verlegt (1388 abgeschlossen). St. Michaelis war Begräbniskirche zunächst für die Billunger und blieb dieses trotz mehrerer Teilungen auch für die Welfen im Fürstentum L. bis zu Otto V. dem Großmütigen († 1471).

1401 bis 1440 wurde die St. Nicolai-Kirche im Osten L.s (Wasserviertel) erbaut. Als hochgotische Basilika bildete diese, als »Schifferkirche« bezeichnet, einen bürgerlichen Gegenpol zu den anderen Kirchen der Stadt. Verschwunden sind das Kloster Heiligenthal und die dreischiffige St. Lamberti-Kirche, letztere trotz Größe und Bedeutung eine Kapelle, die als Gemeindekirche des Sülzviertels fungierte: im 14. Jahrhundert erbaut, besonders reich ausgestattet, wurde sie schließlich Opfer der Bergschäden (1860 abgerissen).

In direkter Nachbarschaft zum Rathaus stand seit den 1230er Jahren das Franziskanerkloster mit der Marien-Kirche, die im 16. Jahrhundert als evangelisches Gotteshaus neugebaut worden war (zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Bergschäden zum Opfer gefallen). Mit dem Übergang zur Reformation nahmen schließlich alle Kirchen das neue Bekenntnis an; Kloster Heiligenthal fiel an die Stadt und wurde aufgelöst, wobei sich die Auflösungstendenzen aufgrund der schlechten finanziellen Lage schon vor 1530 abzeichneten. Auch das Michaeliskloster wurde aufgelöst und in den Gebäuden später eine »Ritterakademie« (1655–1819) eingerichtet. Ebenfalls aufgehoben wurde das Franziskanerkloster (1530), in dessen verbliebenen Räumen seit 1555 bis heute die Ratsbücherei (Stadtbibliothek) ihren Sitz hat.

Das älteste der Hospitäler war St. Benedicti, das Teil des Michaelisklosters war. Größtes Hospital hingegen war der sog. »Große« Heilige Geist (1277) im Sülzviertel, das unter Kontrolle des Rats stand. Dies galt auch für den extra muros in Bardowick angesiedelten St. Nikolai-Hof (1251), der zunächst als Leprosium und dann als Hospital diente. Später (1352) folgten noch der »Lange Hof« und um 1500 das vom Rat eingerichtete Hospital zum »Gral« als karitative Einrichtungen. 1565 wurde noch das Hospital zur Breiten Wiese eingerichtet. Darüber hinaus existierten noch zwei Beginenhöfe, eine Reihe sog. Gottesbuden (insbes. Roter Hahn, um 1500, Armenwohnungen, dann Hospital) sowie verschiedene Bruderschaften, von denen der Kaland eine herausragende Stellung einnahm (repräsentatives Versammlungshaus in der Nähe der St. Johanniskirche).

(4) L. ist im 2. Weltkrieg nicht zerstört worden, so dass das alte Stadtbild weitgehend erhalten geblieben ist. Den Marktplatz dominiert das Rathaus mit seiner imposanten weißen barocken Ostfassade (1704–1720). Der hzl.e Hof befand sich seit 1381 in unmittelbarer Nachbarschaft zum Rathaus am Marktplatz Ecke Reitende Dienerstraße mit Blick auf den Kämmereitrakt des Rathauses. Direkt daneben in der Reitenden Diener Straße befanden sich »die Buden« des Stadtvogts. 1486 hielt der L.er Rat ausdrücklich fest, dass diese »nicht freier seien als die der eigenen Bürger«, d. h. denselben Rechtsstatus hatten. 1507 entstand ebendort ein repräsentativer Neubau des hzl.en Hofs, ohne jedoch den Charakter einer Residenz anzunehmen. Nach der Wiedereingliederung in den fsl.en Machtbereich 1639 wurde das vorhandene Areal durch Ankauf mehrerer Häuser deutlich vergrößert und 1695–1698 im Auftrag Herzog Georg Wilhelms (reg. im Fürstentum L. 1665–1705) das Schloss erbaut, zu dieser Zeit das größte Bauprojekt in der Stadt. 1706–1717 diente es seiner morganatischen Gattin Eleonore d’Olbreuse († 1722) als Witwensitz (heute Landgericht).

(5) Das Umland L.s war agrarisch geprägt. Bereits im Spätmittelalter waren Stadt und Land durch vielfältige Besitz-, Eigentums- und Abgabeninteressen eng miteinander verbunden. Fast alle kirchlichen Institutionen besaßen teilweise umfangreiche Güter außerhalb der Mauern, ebenso galt dies für viele bürgerliche Familien. In unmittelbarer Nähe zum Mauerring gab es umfangreiche Tonvorkommen, die u. a. von städtischen Ziegelhöfen ausgebeutet wurden. Zusammen mit dem Kalkberg profitierte das L.er Bauwesen von dieser günstigen Rohstofflage. Durch Stapelrechte, eine große angelegte Landwehr und durch den Erwerb von Pfandschlössern v. a. während des 14./15. Jahrhunderts verstand es der Rat, den Nah- und Fernbereich des L.er Umlandes zu sichern, ohne dass ein Territorium gebildet wurde. L. war Mitglied der Hanse und über den Salzexport in den Ost- und Nordseeraum eng mit den anderen Wendischen Hansestädten Lübeck, Hamburg und Wismar verbunden.

(6) L.s Funktion als Residenzstadt wird in den Gesamtdarstellungen zur Stadtgeschichte nicht vertieft. Doch war L. bereits im Hochmittelalter ohne Zweifel durch das Michaeliskloster als Hauskloster und Begräbnisort der Welfen von Bedeutung für die Herrschaft. Dem Zugriff des Landesherrn entziehen konnte L. sich in der Hochphase der Hanse und in der Zeit des Nachwirkens dieser Epoche (1371–1562). Ab der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts wird L. wieder in das mittlerweile gestärkte hzl.e Territorium integriert. Mit dem Schlossbau, der als Witwensitz konzipiert war, nahm L. für wenige Jahre Charakter einer frühneuzeitlichen Residenz an. Dieser Residenzcharakter äußerte sich gelegentlich im 18. Jahrhundert, wenn hochgestellte Fürsten sich in L. aufhielten: 1716 folgte die russische Zarin Martha Skawronskaja (seit 1712 zweite Ehefrau Peter des Großen, die spätere Katharina I.,) ihrem Gatten auf dessen zweiter Westeuropareise und besuchte dabei L. Sie wohnte nicht im Schloss, sondern in der Herberge »Güldener Löwen«, ihre Entourage in höherrangigen Privathäusern; zugleich weilte der König von Dänemark in L. 1783 besuchte Friedrich August, Duke of York, der zweite Sohn König Georgs III. von England, im Rahmen seiner »Kavalierstour« L. Wenige Jahre später weilte von Mai 1785 bis Juni 1786 Prinz Eduard, Duke of Kent and Strathearn, der vierte Sohn König Georgs III., in L., um seine Ausbildung zu vervollständigen. Im 19. Jahrhundert wurde L. von Heinrich Heine in seiner Korrespondenz als »Residenz der Langeweile« geschmäht.

(7) Archivalische Überlieferung findet sich geschlossen im Stadtarchiv Lüneburg. Weitere Bestände finden sich im Hauptstaatsarchiv Hannover (heute: Landesarchiv Niedersachsen, Standort Hannover). Chronikalische Werke und frühneuzeitliche Vorschriftensammlungen finden sich um Altbestand der Ratsbücherei Lüneburg (öffentliche Bibliothek).

(8)Reinecke, Wilhelm: Geschichte der Stadt Lüneburg, Bd. 1, Lüneburg 1933 (ND Lüneburg 1977). – Friedland, Klaus: Die Stadtfreiheit des mittelalterlichen Lüneburgs, in: Lüneburger Blätter 4 (1953) S. 17–26. – Schnuhr, Eberhard: Lüneburg als Münzstätte, in: Aus Lüneburgs tausendjähriger Vergangenheit, hg. von Ulrich Wendland, Lüneburg 1956, S. 152–180. – Reinhardt, Uta: Die Welfen und das Kloster St. Michaelis, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Geschichte 54 (1982) S. 129–151. – Hergemöller, Bernd-Ulrich: Art. „Lüneburg“, in: LexMa V, 1991, Sp. 9–12. – Reinhardt, Uta: Lüneburg, in: Deutscher Städteatlas, Lfg. 5,3: Lüneburg (1993). – »Alles was Recht ist!« (1997). – Michael, Eckhard: Zum Verhältnis Stadt und Landesherr in der Lüneburger Geschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: »Alles was Recht ist!« (1997), S. 201–207. – Ring, Edgar: Der Ort des Jubiläums. Lüneburg um 1247 aus historischer und archäologischer Sicht, in: »Alles was Recht ist!« (1997), S. 193–199. – Theuerkauf, Gerhard: Das Lüneburger Stadtrechtsprivileg von 1247. Seine Bedeutung für Lüneburg und seine Stellung in der Verfassungs- und Rechtsgeschichte norddeutscher Städte, in: »Alles was Recht ist!« (1997), S. 13–27. – Schuchardt, Wilhelm: Lüneburg und Celle. Zwei schicksalhaft miteinander verbundene Städte, in: Einblicke, hg. vom Landkreis Lüneburg, Lüneburg 1997 (Heimatbuch für den Landkreis Lüneburg, 3), S. 131–148. – Peter, Elmar: Lüneburg. Geschichte einer 1000jährigen Stadt 956–1956, hg. vom Museumsverein für das Fürstentum Lüneburg, Lüneburg 1999. – Reinhardt, Uta: Die deutschen Königspfalzen. Repertorium der Pfalzen, Königshöfe und übrigen Aufenthaltsorte der Könige im deutschen Reich des Mittelalters, Bd. 4: Niedersachsen, Lfg. 1: Bardowick–Braunschweig, hg. vom Max-Planck-Institut für Geschichte, Göttingen 1999, S. 1–17. – Böcker, Doris: Baudenkmale in Niedersachsen. Hansestadt Lüneburg mit Kloster Lüne, hg. von Stefan Wingart, Petersberg 2010 (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, 22,1). – Ring, Edgar: Die Befestigung der Stadt Lüneburg, in: Lübecker Kolloquium zur Stadtarchäologie im Hanseraum, Bd. 7, hg. von Manfred Gläser, Lübeck 2010, S. 479–492. – Sikora, Michael: Eléonore d’Olbreuse, die Herzogin auf Raten, in: Mächtig verlockend. Frauen der Welfen: Eléonore d’Olbreuse Herzogin von Braunschweig-Lüneburg 1639–1722, Sophie Dorothea Kurprinzessin von Hannover 1666–1726. Begleitband zur Ausstellung des Residenzmuseums im Celler Schloss vom 16. Februar bis 15. August 2010, Red. von Kathleen Biercamp und Juliane Schmieglitz-Otten, Celle 2010, S. 17–43. – Schulz, Alina: Die Frühgeschichte Lüneburgs. Eine Untersuchung der Quellen mit einem anschließenden Vergleich der Aussagen ausgewählter Stadtgeschichten, Magdeburg (Universität) 2013 (unveröffentlicht). – Busch, Dirk: Das ehemalige Schloss zu Lüneburg als Witwensitz für Herzogin Eleonore (nach jüngst entdeckten Bauplänen), in: Celler Chronik 21 (2014) S. 87–98.

Thomas Lux