Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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ARENSBURG C.3. (Kuressare)

I.

Arnsborch u. ä., Hauptort der Insel Ösel (estn. Saaremaa), für den Seeverkehr günstig im nördl. Teil der Rigaer Bucht an der Südküste Ösels gelegen. Schloß St. Johannis zu A. war seit der zweiten Hälfte des 14. Jh.s bis zum Ende des Bm.s während des Livländischen Krieges Hauptres. der Bf.e von Ösel-Wiek, die zugl. als weltl. Landesherren zwei Drittel Ösels und Dagös sowie den Großteil der festländ. Wiek regierten. Der Name leitet sich vermutl. vom Ösel-Wieker Wappen, dem Adler als dem Symbol des Evangelisten Johannes, her. - EST, Ösel,Kuressaare.

II.

Nach dem großen Estenaufstand von 1343-45 wurde die steinerne Bischofsburg nicht zuletzt zur endgültigen Befestigung der bfl. Herrschaft auf der Insel erbaut. Die Öseler Esten waren zum Bau zwangsverpflichtet. Im Jahr 1381 ist das Schloß erstmals schriftl. bezeugt; zu dieser Zeit war das Anlaufen von Schiffen noch unmittelbar an der Bischofsburg möglich.

A. diente als Hauptres., doch hielt sich der Bf. auch häufig auf den wiek. Schlössern → Hapsal, → Leal und Lode auf. In der vormaligen Hauptres. → Hapsal, wo die Grablege der Bf.e weiterbestand, residierte an der Domkirche des Bm.s das Domkapitel. A. war Sitz des Stiftsvogtes für den insularen Teil der Diöz. Ösel-Wiek. Neben dieser zentralen administrativen Funktion hatte A. als einzige Festung im bfl. Teil Ösels (daneben gab es die Soneburg des Ordens im NO der Insel) strateg. Bedeutung. In Friedenszeiten waren außer dem bfl. Hofstaat auf A. der Stiftsvogtsowie eine sehr kleine Besatzung, die sog. Stallbrüder oder Schwarzhäupter, anwesend. Doch war es möglich, in die Befestigung mehrere Hundert Mann aufzunehmen. Noch während des Livländischen Krieges und im Kalmarkrieg 1611/12 war die Festung der einzige sichere Ort auf Ösel. Von 1573 bis 1645 residierten Statthalter der dän. Kg.e auf A., 1597 stattete Kg. Christian IV. Ösel einen kurzen Besuch ab.

Bereits im 14. Jh. war ein Hakelwerk um die Bischofsburg herum entstanden. Als Marktort für Ösel hatte A. für den Zwischenhandel lokale Bedeutung, doch die Erhebung zur Stadt mit Rigaer Recht folgte erst 1563, kurz vor dem Ende des Bm.s Ösel-Wiek, nachdem infolge des Livländischen Krieges Flüchtlinge vom Festland zugezogen waren. Für das Jahr 1573 sind in einer wohl nicht ganz vollständigen Liste gut 50 Bürger A.s bezeugt. Bis kurz zuvor muß die Bevölkerung des Ortes entspr. geringer gewesen sein. Über das Verhältnis zw. den Einw.n des Hakelwerks und des Schlosses vor 1560 ist nichtsbekannt.

III.

Zu Beginn des 13. Jh.s existierte an der Stelle des späteren Schlosses eine Burg der Öseler Esten und vorübergehend eine dän. Befestigung aus Holz. Die Errichtung einer bfl. Wehranlage bereits im 13. Jh. ist unwahrscheinlich. Der älteste Teil des ab Mitte des 14. Jh.s aus Öseler Kalksteinquadern erbauten bfl. Schlosses ist der »Sturvolt«, einer der beiden Ecktürme an der Vorderfront der Anlage. Die Errichtung der Burg nahm rund zwei Generationen in Anspruch und wurde unter dem Ösel-Wieker Bf. Winrich von Kniprode (1383-1419) im wesentl. abgeschlossen.Chronolog. Details der Baugeschichte sind bis heute unklar.

Die zweigeschossige Anlage mißt 42,5 m im Geviert und zählt zum Konventshaustyp. Die in architekton. Hinsicht streng geometr. und schmucklos gehaltene Schloßkirche sowie der vierjochige Festremter, beide spätestens im letzten Viertel des 14. Jh.s erbaut, liegen im Südflügel. Neben den bfl. Wohnräumen (im Westflügel) befinden sich in der Burg u. a. ein Dormitorium und ein kleinerer Remter, im Unter- bzw. Kellergeschoß Küchenräume, eine Brunnenkammer, ein Baderaum (?), Magazine, ein Verlies und zwei Heizkammern. Ein Kreuzgang umsäumt den Innenhof.

Nach seiner Fertigstellung um 1400 erfuhr das Schloß nur noch unbedeutende baul. Veränderungen. Bf. Johann von Münchhausen (1541-59) ließ den zweiten Eckturm, den »Langen Hermann«, mit einem Messinghelm versehen, der noch auf Zeichnungen des 17. Jh.s belegt ist. Nach 1560 wurden Ringmauern als Außenbefestigung ergänzt und unter schwed. Herrschaft (1645-1710) zu Bastionen erweitert. Als letztere 1711 gesprengt wurden, erlitt das Schloß Schäden. Die Restauration erfolgte Anfang des 20. Jh.s. Heute ist A. die besterhaltene Burgbefestigung Estlands.

Quellen

siehe die Angaben im Art. B.3. Ösel, Bf.e von

Alttoa, Kaur/Dubovik, Boris: Veel kord Kuressare linnusest, in: Ars Estoniae Medii Aevi grates Villem Raam viro doctissimo et expertissimo, hg. von Kaur Alttoa, Tallinn 1995, S. 87-100 [mit dt. Zusammenfassung]. - Helk, Vello: Landsassen und Bürgerschaft auf Ösel im Jahr 1573, in: Ostdeutsche Familienkunde 37 (1989) S. 86-89. - Hellmann, Manfred: Art. »Arensburg«, in: LexMA I, 1980, Sp. 919. -Tuulse 1942, S. 211-221.