Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

Zurück zur Liste

GANDERSHEIM C.4.2.

I.

Die Res. der Äbtissin befand sich innerhalb der engeren Stiftsimmunität G. an der Gande im späteren Stadtzentrum. Im Früh- und HochMA sind bis 1252 16 Aufenthalte von Kg.en in G. bezeugt sowie einer auf Fernbesitz in Gieboldehausen. Der Ort des Kg.s dürfte westl. der Kirche innerhalb der Stiftsanlage zu suchen sein, wo ein repräsentatives Gebäude der Äbtissin vermutet wird, das als »Kemenate« bzw. »Moshaus« bezeugt ist. - D, Niedersachsen, Kr. Northeim, Bad Gandersheim.

II.

Bei dem ersten Bau der 856 begonnenen und 883 geweihten Stiftskirche handelte es sich nach Georg Ortgies von Wersebe um einen typ. »Altfriedbau«, eine Basilika mit östl. Querhaus, in ihrer Architektur den Klosterkirchen von → Corvey und → Werden verwandt. Der Hauptchor mit halbrunder Apsis wurde von zwei querrechteckigen, zu den Querhausarmen offenen Seitenkapellen flankiert. Die Weihe der vollendeten Kirche durch Bf. Wigbert von Hildesheim (880-908) meldet zu 883 das »Chronicon Hildesheimense«. Das Langhaus dürfte bereits dieheutige Ausdehnung gehabt haben, der Westbau wurde erst etwa 40 Jahre später vollendet, dessen Turmweihe durch den Bf. von → Hildesheim die »Annales Hildesheimenses«, pars prima ad a. 926, nennen. In diesem Westabschluß, einem wohl dreigeschossigen Westwerk mit seitl. Treppentürmen viell. nach Corveyer Vorbild, könnte sich eine Herrscherkapelle im ersten und ein Herrschersitz im zweiten Obergeschoß befunden haben. Ein Brand zerstörte spätestens 973 den Kirchenbau, der Wiederaufbau wurde von Otto II. gefördert. Die Weihe des gegen die Jahrtausendwendefertiggestellten Baues, der ein niedrigeres, viell. an St. Pantaleon zu → Köln orientiertes Westquerhaus hatte, verzögerte sich wg. des G.er Streites bis Anfang Jan. 1007, als sie in Anwesenheit Heinrichs II. von Bf. Bernward von Hildesheim vorgenommen werden konnte. Ein weiterer Brand verheerte in der zweiten Hälfte des 11. Jh.s erneut die Stiftskirche, der Wiederaufbau brachte die große, dreischiffig gewölbte Krypta mit eingezogener Apsis. Wenige Jahrzehnte später machte ein erneuter Brand Baumaßnahmen unbekannten Ausmaßes und eine Wiederweihe i. J. 1168 erforderlich, die nachdem Zeugnis des »Chronicon Hildesheimense« von Bf. Hermann von Hildesheim, Ebf. Hartwig von Bremen und anderen Vertretern des Episkopates vorgenommen wurde. Eine spätere Quelle weiß von Glasfenstern und Ausmalungen zu berichten, die auf dieses Ereignis zurückzuführen seien.    

III.

Ein repräsentatives Wohngebäude könnte sich im W der Stiftskirche befunden haben und durch das (ältere) Paradies mit dem Westwerk der Stiftskirche verbunden gewesen sein, denn starke Mauerzüge, die im Hofgelände des sog. Bracken (Markt 8) westl. der Kirche 1956 ergraben wurden, die man als Westtoranlage der Stiftsimmunität ansah, könnten mit aller Vorsicht auf eine im weitesten Sinne pfalzartige Anlage interpretiert werden. Es ist zu vermuten, daß die frühesten Gebäude der Abtei um die Jahrtausendwende den zeittyp. burgähnl. Charakter aufwiesen, denn in der»Vita Bernwardi« sind Befestigungsanlagen erwähnt. Die schriftl. Überlieferung zu einzelnen Gebäuden setzt dann jedoch erst wieder im 14. Jh. ein, so daß für die ma. Zeit nur indirekte Rückschlüsse mögl. sind.

Zu 1025 genannte Räumlichkeiten könnten auch, wenn sich die Annahme eines eigenen Hauses im W der Kirche nicht aufrecht erhalten ließe, in dem nordostwärts an deren Chor anschließenden, sog. »Moshus«, den doppelstöckigen Palasbau der Äbtissinnenkurie mit Saalbau im Obergeschoß, angenommen werden, zumal wenn man das sacellum secretius, in dem Bf. Godehard zuvor die Messe gelesen hatte, mit der Michaelskapelle der Äbtissinnenkurie identifizieren könnte, an deren Südende eines spätma. Erweiterungsbaues sie östl. anschloß. Das Moshaus (oder »alte Kemenate«) dürftedann viell. auch Kg. Lothar III. am Weihnachtsfest 1130 als Unterkunft gedient haben, nachdem die gesamte Westanlage der Stiftskirche nach dessen zweitem Brand im letzten Drittel des 11. Jh.s grundlegend umgestaltet worden und das ursprgl. Westwerk zerstört war.

Das westl. der Kirche gelegene »Kronenhaus« ist zu 1351 belegt, ein Dormitorium der Frauen hingegen zu 1429, die Propstei sogar erst zu 1559. 1597 brannten die Abteigebäude aus und wurde im Stil der Weserrenaissance in kurzer Zeit neu errichtet. Der auf einem überhöhten Kellergeschoß errichtete zweistöckige Hauptbau der Abtei darf als das Zentrum der Äbtissinnen ab dem beginnenden 17. Jh. angesprochen werden. Die repräsentativen Gemächer befanden sich im zweiten Stockwerk. Ein weiterer Umbau mit der Einrichtung eines »Kaisersaales« entlang der Westseite im zweiten Obergeschoß fandin den späten zwanziger Jahren des 18. Jh.s statt. Wg. der insgesamt schlechten finanziellen Situation des Stiftes in der Neuzeit sowie den Abbruchmaßnahmen im 20. Jh. ist von den Bauten nur wenig erhalten.

Unmittelbar nördl. der engeren Stiftsimmunität errichteten gegen Ende des 13. Jh.s die Welfen eine eigene Burg, die in gewisser Weise gegen das Stift gerichtet war und später als Mittelpunkt des hzgl. Amtes G. fungierte.

In der Stadt befand sich zudem das um 939 gegründete und von G. abhängige Benediktinerinnenkl. St. Maria, dem eine Vorbildfunktion für das Nonnenkl. auf dem Münzenberg in → Quedlinburg zukommen dürfte.