Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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HARBURG C.7.

I.

Horeburg (1133-37 und 1154, 1164, 1167/68) (= Burg am Sumpf); Horborch (1168); Horebruch (1195); Horborg (1219); Horborch (1273); Horburg (1393); Harborch (1488); Haarburg (1791) - Burg/Schloß und Flecken/Stadt bis (mind.) 1236 Erzstift → Bremen, danach Hzm. Braunschweig-Lüneburg (Linie Lüneburg). - D, Hamburg, Stadteil Hamburg-H.

II.

Die älteste Burg, spätestens um 1100 auf einer Talsandinsel in der Elbniederung inmitten von Sümpfen angelegt und nur über einen Damm mit dem Geest-Hinterland verbunden, entweder eine Turmhügel- oder Ringwallanlage mit hölzerner Palisadenwehr bildend, muß - wie mind. zwei Brandschichten an den Resten der Palisaden belegen - mehrfach umkämpft gewesen sein. Eine Burgkapelle, Filial von Wilstorf, ist 1231 bezeugt. Für die Bedeutung der Veste H. spricht ein erster Ausgleichsversuch zw. dem Erzstift → Bremen und den Welfen im Streit um die Stader Erbschaft1219, wonach H. geschleift werden sollte, was offenbar unterblieb. Spätestens 1257 befindet sich H. in welf. Hand.

Die vor der Burg angelegte Siedlung war eine der im Elbe-Weser-Dreieck nicht seltenen Dammsiedlungen, die auf aufgeschüttetem Gelände in morastiger Gegend angelegt worden war (die heutige Schloßstraße markiert ungefähr den Verlauf des Dammes). Im Zusammenhang mit der Heirat Hzg. Ottos des Strengen mit der Wittelsbacherin Mechthild, der Enkelin → Rudolfs von Habsburg, verlieh der Kg. 1288 H. das Recht eines oppidum, das nicht mehr dem Landrecht unterworfen, aber dem Fs.en zu den gleichen Diensten und Leistungen wie → Lüneburg verpflichtet ist.Oppidum meint hier noch keineswegs Stadt (Kausche 1988). Erst 1297 verlieh im Zuge der Marschkultivierung Otto der Strenge H. die Stadtrechte nach → Lüneburger Vorbild. H. blieb aber bis in das 16. Jh. hinein eine »Ein Straßen-Siedlung«, die keine Möglichkeit zum Hafenausbau hatte, aber wichtig für den Fährbetrieb über die Elbe war.

Die Grenzveste des Hzm.s Lüneburg wurde 1407 an die Stadt → Lüneburg verpfändet, von Ratsherren (teilw. in der Form der Verpfändung in Amtmannsweise) verwaltet und verblieb in dieser Pfandschaft bis zum Jahre 1519, obwohl 1484 Hzg.in Anna versucht hatte, die Pfandschaft auszulösen.

Nachdem Otto, der älteste Sohn Heinrichs des Mittleren, sich 1525 heiml. mit Meta von Campe verh. hatte, kam es 1526 zu einer Abteilung, nach der sein jüngerer Bruder Ernst die Regierung im Hzm. übernahm und Otto die Herrschaft über Stadt und Amt H. überließ. Das bedeutete keine Erhebung des Amtes zu einem selbständigen Reichsfsm. Alle Bündnis- und Kriegsfälle blieben dem Celler Hzg. vorbehalten, Verpfändungen und Schuldenaufnahme blieben an den Konsens Hzg. Ernsts gebunden. Die »Diener« Hzg. Ottos (die Überlassung 16 »Dienerbetten« sah der Vertrag von 1526 vor)stammten wie der Hofprediger, D. Gottschalk Kruse, aus der Celler Hofverwaltung (→ Celle).

Der Vertrag zw. Ernst und Otto sah neben einer einmaligen Zahlung von 300 fl. für das unerläßl. Silbergeschirr ein Jahrgeld von 1 500 fl. vor, das - unregelmäßig ausbezahlt - 1560 teils in eine Jahresrente von 400 Taler umgewandelt, teils durch die Zuweisung des Amtes Moisburg abgelöst werden sollte.

Otto I. betrachtete sein Hzm., das er 1527 übernahm, im wesentl. als kluger Haushälter und betonte die hzgl. Eigenwirtschaft, wofür der 1531 begonnene Weinbau bezeichnend ist. Nach dem verheerenden Stadtbrand von 1536 ließ der Hzg. 1539 eine neue herrschaftl. Mühle und ein neues herrschaftl. Kaufhaus erbauen. Das Prinzip der intensivierten Eigenwirtschaft wurde auch nach seinem Tod beibehalten, wofür der 1635 bezeugte Anbau von »virginischen oder peruanischen Knollen«, also von Kartoffeln stehen möge. Der seit 1530 anhebende Streit mit Hamburg um die Hoheitsrechte an der Elbeunterscheidet sich von den übl. Territorialdifferenzen dadurch, daß er im Zusammenhang mit einer gezielten Wirtschaftspolitik Ottos I., der 1529 einen Wochenmarkt in H. begr. hatte, steht.

Otto II., dem es trotz des Verzichts auf das Celler Jahrgeld gelang, die Finanzen seiner Herrschaft zu stabilisieren, gab 1578 seinem Hof die erste Ordnung, in der bereits ein graduierter Jurist an der Spitze der Verwaltung stand. Die Herrschaft der Hzg.e ist bei Rücknahme der höf. Repräsentation durch Bürgernähe gekennzeichnet (das leider abgerissene sog. Fürstenhaus diente nicht dem höf. Leben, sondern wurde erst 1609 von Otto III. für seine Geliebte und die gemeinsame Tochter, Elisabeth von Lüneburg, erbaut). Patenschaften für Bürgerkinder sind dafür ebenso bezeichnend wie die Stiftungeiner Schützenkette durch Otto I. als Schützenkönig 1528 oder einer Schützenmedaille durch Otto III. 1625. Obwohl im Schloß 1540 eine Schloßkapelle eingerichtet worden war, sind die Hzg.e und ihre Familienmitglieder nicht hier, sondern in jener Marienkapelle beigesetzt worden, die nach der Reformation Stadtpfarrkirche wurde (als diese 1650 abgerissen wurde, wurden die Särge der fsl. Familie in die nunmehrige Dreifaltigkeitskirche überführt). Nach dem Tode des letzten Hzg.s, Otto III., fiel H. wieder an das Hzm. Lüneburg.

III.

Die ursprgl. Burg, das stenwerk, wohl ein turmariges Ziegelgebäude, war 1396 von den mit → Lüneburg verbündeten Hamburgern im Satekrieg zerstört worden. In der Zeit der Lüneburger Pfandschaft entstand das unterkellerte sog. »Hohe Haus«, das für den Bedarf der Amtsverwaltung bzw. für den von 50 bis 60 Söldnern in Kriegszeiten mit Bierkeller, Back- bzw. Brauhaus ausgebaut wurde. Umfangr. Bauarbeiten ließ der Lüneburger Rat 1440-42 am »großen Steinwerk« durchführen und ließ 1446 den Bergfried, einen transportablenHolzturm nach H. schaffen. Die unter Lüneburger Pfandherrschaft verstärkte Befestigung bestand aus der Oberburg, im wesentl. dem »großen Steinwerk« oder »Hohem Haus« inmitten einer Wall-Graben Befestigung, die durch zwei von Torhäusern gesicherten Brücken zugängl. war.

Die mit der Herrschaftsübernahme Ottos I. 1527 verbundenen Renovierungs- und Ausbauarbeiten des Schlosses - der Treppenturm wurde mit Kupfer gedeckt und mit vergoldeter Blume und Knopf verziert, ein Festsaal geschaffen, Kachelöfen eingesetzt, die Wohnräume der Herzogsfamilie ausgemalt, eine Badestube mit Kupferwanne geschaffen, eine Wasserleitung für Küche und Brauhaus aus dem Walkmühlenteich abgezweigt - waren um 1529 mit der Pflasterung des Burghofes weitgehend beendet. Die alte Ummauerung wurde ab 1534 durch eine moderne Wallanlage ersetzt, wobei die Vertiefung des inneren Grabens zurWallaufschüttung benutzt wurde. Ebenfalls mit Hand- und Spanndiensten der Amtsuntertanen wurde 1539 bis 1543 an der Innenseite des Walles eine neue Mauer hochgezogen.

Erst unter Otto II. wurde das Schloß wirkl. zur Res. ausgebaut. Bereits Otto I. hatte Fenster in das »Hohe Haus« brechen lassen. 1562 jedoch wurde dieses mit 12 großen und vier kleinen Fenstern mit Sandsteingewänden ausgestaltet, und anstelle des steilen Ziegeldaches trat ein kupfernes Flachdach. Zu gleicher Zeit wurde, wie zeitgenöss. Abbildungen belegen, der Bau mit einem Kranz dreieckiger, bogenförmiger Zwerchgiebel geziert. Zw. 1577 und 1587 ließ Otto II. von dem Lüneburger Martin Köhler einen dreigeschossigen Flügelbau im NO an das alte Hauptgebäude, dessen Gemächerder hzgl. Familie vorbehalten blieben, anschließen. Ein achteckiger hoher Treppenturm mit steinerner Haube flankierte diesen Bau, in den auch die aufwendige Schloßkapelle nach Vorbildern von → Gifhorn und → Celle integriert wurde, und der Hofstube, Schloßküche, Schlachthaus, Silberkammer und Räume für das Hofgesinde enthielt. Weiterhin ließ Otto II. 1591/92 ein neues Torhaus anstelle des erst 1535/36 erbauten mit drei Renaissancegiebeln repräsentativ aufführen. Der Name »langes Gewöbe« bezieht sich auf das Tonnengewölbe der Tordurchfahrt. Neben dem Back- undBrauhaus wurde 1597/98 auch ein Kornhaus mit großem Kornboden errichtet. Als 1620/21 unter dem letzten Hzg. der H.er Linie, Wilhelm, das dreigeschossige »neue Haus«, südöstl. von dem Treppenturms des langen Flügels die Lücke zum Kornhaus schließend, errichtet wurde, war eine typ. dreiflügelige Schloßanlage der Spätrenaissance entstanden. Die Wohn- und Schlafräume der hzgl. Familie im alten Hauptbau waren mit fläm. Wirkteppichen und vergoldeten Ledertapeten ausgestattet. Inventare von 1604 und 1641 weisen neben dem übl. Wohnkomfort auch 15 »Pißtöpfe« aus Zinn nach. Die Anlage wurdebereits im Siebenjährigen Krieg 1757 und durch einen Brand 1813 schwer beschädigt. 1817-20 kam es zu tief in die Substanz eingreifenden Umbauten. Nach weiteren gravierenden Umbauten, etwa i. J. 1900, verbergen sich heute die letzten Reste der Anlage im Mietshaus Bauhofstraße 8.