Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich

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STOLPEN C.3.

I.

Stulpen (1222); Stolp (1227); Stolpen (1233); Stulpin (1378); Stulppen (1459), Stolppen (1478); Stulpen (1560) - der Ortsnamen geht auf altsorb. Stołpno zum App. stołp, neusorb., poln. slup für Pfosten, Mauer, Palisadenzaun zurück und bedeutet, unterstützt durch den Realbefund »Säulenort« oder »Ort auf [Basalt]säulen« (HONBI, 2001, S. 19, II, S. 466). - S. liegt auf einem hohen Basaltkegel über dem Wesenitztal, zu Füßen der Burg, die wiederum auf regelmäßigen, den Lausitzer Granit durchbrechenden Basaltsäulen erbaut ist. - S. als Teil des frühma. Burgwardes Göda kam kurz vor 1222 in die Hände der Bf.e von Meißen, zusammen mit den Pflegen Göda und Liebethal wurde das Amt S. geschaffen und kam 1559 an den Kfs.en von → Sachsen, ab 1406 Kollegiatskapitel, Auflösung des Amtes Mitte 19. Jh.s, ein Teil kam zur Amtshauptmannschaft Pirna. - Nebenres. der Bf.e von Meißen, Res. der Bf.e von Meißen von 1537-55. - D,Sachsen, Reg.bez. Dresden, Kr. Sächsische Schweiz.

II.

Im Jahre 1002 schenkte Kg. Heinrich II. dem Bm. Meißen die drei Burgwarde Trebista, Ostrusna und Godobi in der Oberlausitz. Im SW des Burgwardes Godobi/Göda querte die alte Handelsstraße nach Schluckenau in Böhmen die Hallesche Salzstraße die Wesenitz. An der Furt entwickelte sich eine Siedlung, die im 13. Jh. als Jockgrim (1297) bezeichnet wurde. Nach Cosmas von Prag soll bereits 1121 auf der Basalterhebung (354 m NN) nahe Jockgrim mit dem Bau einer ersten Befestigung zum Schutz der Siedeltätigkeit begonnen worden sein, was aberdurch die Böhmen verhindert wurde. Vor 1222 kaufte Bf. Bruno II. von Meißen vom Edelfreien Moyko von S. die Burg und die dazugehörigen Dörfer ab und übertrug die Vogteirechte einiger Siedlungen an das Domkapitel. Neben der Hauptres. → Meißen, entwickelten sich zwei größere Güterkomplexe zu Nebenres.en, Wurzen im W und S. im O. Diese Nebenres.en wurden nach Ausweis der Urk.n vorrangig vom Bf. mit seinem weltl. Gefolge aufgesucht. Die Einkünfte aus dem S.er Güterkomplex standen dem Bf. persönl. zu. In den Wirren um die Macht im wettin. Hause nach 1288 kam aus nicht überliefertenGründen die Burg 1290 in fremde Hände und 1316 löste Bf. Withego II. von Meißen die Burg wieder ein und gelangte so wieder in vollen Besitz der Anlage und des Umlandes. Verwaltet wurde die Burg spätestens seit 1335 von bfl. Hauptleuten und sie beherbergte zeitw. das geistl. Gericht des Hochstifts (1401-05). Der milit. Schutz wurde durch die Bgf.en von Meißen gewährt. Ebenso wurde das Archiv des Bm.s, für die Zeit als S. Hauptres. war, hierher verlagert. Im 16. Jh. kam es nach Wurzen.

Die Siedlung Jockgrim im SW unweit der Burg und an der Furt durch die Wesenitz im Zuge der Halleschen Salzstraße war ursprgl. befestigt und stellte den Ausgangspunkt für die Entstehung der Res. dar. Vom Charakter her ist Jockgrim als Suburbium der Burg anzusprechen, aber mit sehr geringer territorialer Ausweitung Im Verlaufe des 14. Jh.s kam es zu einer Siedlungsverlegung von Jockgrim unterhalb des Burgberges unter Weiterbestand der Ursprungssiedlung. Die westl. der Burg gegründete Stadt trug zunächst wie die ältere Siedlung den Namen Jockgrim und wurde 1429 durch die Hussiten zerstört undals regelmäßige Anlage an der heutigen Stelle noch näher an der Burg erbaut, wobei der Name S. auf diese langsam überging. Wann die neue nördl. des Burgberges liegende Siedlung Stadtrecht erhielt, ist nicht überliefert. 1459 wird erstmalig Stulppen slos und{ stat erwähnt. Erst 1470 erfolgte eine Umwehrung der Stadt. Die wirtschaftl. Bedeutung der Stadt ist eher gering einzuschätzen. Erst am Ausgang des 15. Jh.s entwickelte sich ein bescheidenes Marktleben mit heim. Produkten und etwas Salzhandel. Die Laurentiuskirche in S. ist als die ursprgl. Kirche fürJockgrim und Umgebung anzusprechen. Dieses Gotteshaus unterstand bis 1559 dem Bm. Meißen, Archidiakonat Oberlausitz, und war Sitz eines Erzpriesters.

Bf. Thimos Ausbau der Res. S. und die persönl. Unterstellung des auf der Burg 1406 eingerichteten Kollegiatsstiftes hatte eine Verschlechterung der Beziehungen zw. Hochstift und Bf. zur Folge. Der Umfang der Hofhaltung in S. überstieg die Einkünfte, so daß Burg und Umland für einige Zeit verpfändet werden mußten. Auch die Zunahme der Differenzen mit den Wettinern auf dem Burgberg in → Meißen führte am Ausgang des 15. Jh.s zur Beschleunigung der Verlegung der Res. nach S. 1559 mußte der Bf. S. endgültig verlassen. Die Residenzanlage übernahm nach einer Fehde der Kfs. August vonSachsen. Bf. Johann IX. wurde mit dem Amt Mühlberg abgefunden und zog sich nach → Wurzen zurück. Die Kfs.en von Sachsen zeigten bis in die Mitte des 17. Jh.s wenig Interesse an der Anlage und hielten sich auch nur selten hier auf. 1675 erhielt die Burg durch den Einbau von zwei Bastionen durch Oberlandbaumeister Klengel den Charakter einer Festung und eine Garnison hielt Einzug. In den Jahren 1716-65 wurde Gf.in Cosel, eine Mätresse des Kfs.en Friedrich August I., als poln. Kg. August II., hier als Staatsgefangene gehalten. Nachdem die Garnison S. verlassen hatte, zerfiel die Anlage,deren Reste 1813 Napoleons Truppen sprengten.

III.

Über das Aussehen der frühesten Gebäude ist nichts bekannt. Ausgehend von einem ursprgl. sicher nur kleinen Wehrbau über dem steil abfallenden Westrand des Burgfelsens entstanden im ausgehenden 14. Jh. Erweiterungsbauten nach O. Im sog. untersten Vorschloß wurde ein Konsistorium und ein Wirtschaftstrakt mit vier Scheunen und zwei Kornhäusern (1518) und südl. davon ein Marstall eingerichtet. Der vordere Teil der Burg blieb im Laufe der Zeit wirtschaftl. Fragen vorbehalten, während die obere Bebauung repräsentativen Charakter trug.

1355 begann unter Bf. Johann I. von Meißen der Bau einer steinernen Burgkapelle an der Südseite des westl. Burghofes, die ursprgl. der hl. Barbara und dem hl. Basilius geweiht waren, aber im 15. Jh. vom Erasmuskult abgelöst wurden. Der Kapelle mit ihrem basaltenem Tonnengewölbe schloß sich eine Schule für die Ausbildung der Chorsänger und Ministranten an. Bf. Thimo von Meißen stiftete zusätzl. 1401 zwei neue Altäre und erlangte 1406 die päpstl. Bestätigung zur Einrichtung eines Kollegiatskapitels mit sieben Stiftsherren in S. in alleiniger Entscheidungsgewalt. Insgesamt umfaßte dieBurgkapelle sieben Altäre.

Zw. 1451 und 1463 wurde unter Bf. Kaspar von Meißen mit dem Bau eines kreisrunden Kapitelturmes begonnen und unter Bf. Dietrich III. von Meißen 1476 vollendet. Ihn bekrönte ein gestreckter Kegel, dem eine Laterne entwuchs, deren Bedachung das Kegelmotiv in kleiner Form wiederholte. Dieser Turm wurde wie die Mehrzahl der Bauten auf dem Burgberg 1813 von den Franzosen gesprengt. Ebenfalls bis 1470 entstand an der äußersten Nordwestecke der Siebenspitzenturm auf einem Basaltstock. Der Unterbau, der mehrere Stockwerke umfaßte, hatte einen viereckigen Grdr., während das dritte Geschoß die Formeines Sechseckes bildete. Demnach krönte die sechs Ecken des oberen Geschosses jeweils ein spitzes Türmchen, während aus der Mitte eine auf einem sechsmal gebrochenen Kegeldach ruhende große Kugel mit hoher Spitze aufwuchs. Die Art der Wölbung mit Zellen geht auf den Einfluß Arnolds von Westfalen zurück, der etwa zeitgl. die → Meißner Albrechtsburg konzipierte. Der große Stadtbrand 1632 zerstörte den Siebenspitzenturm.

Unter Bf. Johann VI. von Meißen entstand zw. 1491 und 1497 das Bischofshaus an der Westseite des vierten Burghofes. Gemeinsam mit dem Zeughaus und der östl. vom Palas befindl. Kapelle bildeten die Bauten eine architekton. Einheit, wobei die Hoffassade reich verziert war. Der dreigeschossige Baukörper zw. Kapitel- und Siebenspitzenturm beanspruchte das gesamte heute höher gelegene Plateau. Eine rechts neben dem Hauptportal angebrachte Spindeltreppe führte zu den einzelnen Etagen. Die gegliederte Fassade mit Maßwerkfenstern und Vorhangbögen wurde durch einen zweigeschossigenErker aufgelockert. Diese offenen Bauformen gehen auf Arnold von Westfalen zurück, der wahrscheinl. zuletzt im Dienste der Bf.e stand. Reich profilierte Türgewände zählten neben teilw. von steinernen Säulen getragenen Kreuzgewölben zur Ausstattung der Räume. Südl. des Bischofspalastes schloß sich die Küche mitsamt den Nebenräumen an. Gegen Ende des 15. Jh.s folgten noch der Bau der Kanzlei, der Seiger- und der Johannisturm. Beide Türme waren 1509 fertiggestellt. Hinzu kam noch 1512 der Barbaraturm zw. Kapelle und Küche. Ebenfalls um 1500 wurde an der Nordseite ein Wendelstein angefügt, überden man in eine Ravelin (Vorschanze) gelangte. Oben wandelte er sich zu einem halbrunden aus der Mauer herausspringenden Befestigungswerk. Aus der Zeit der Renaissance stammt noch das Haupttor am Zugang zum engeren Residenzbereich. Während der von Säulen getragene Torbau aus der Zeit vor 1540 stammt, entstand der Wappenschmuck am Giebel erst 1560. Die gesamte Residenzanlage war beim Tode Bf. Johanns VI. nahezu vollendet und umfaßte insgesamt Wirtschafts-, Verwaltungs- und Wohngebäude auf vier Höfe verteilt mit vier Wohntürmen und zwei Zwingern.

Quellen

CDSR II, 1-3, 1864-67. - Gercken, Carl Christian: Etwas Altes von dem Hofstaat der Meißnischen Bischöffe zu Stolpen, Friedrichstadt 1764. - HONB I, S. 19, II, 2001, S. 466.

Chronik von Burg und Stadt Stolpen, mit Beiträgen von Erich Bartlitz, Leipzig 1994. - Fichte, Stefan: Die Entwicklung des Hofes der Bischöfe von Meißen von 1170 bis 1341, ungedr. Magisterarbeit TU Dresden 2001. - Gurlitt, Cornelius: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreiches Sachsen, Heft 1, Dresden 1882. - Hartmann, Hans Günther: Stolpen. Ein slos und stetlein czwischen Pirna und Bischofswerda, Dresden 1996. -Haupt, Walther: Dienstanweisungen bischöflicher Beamte im Schloß Stolpen, in: Hochstift Meißen, 1973 S. 99-113. - Klemmt, Walter: Burg Stolpen, Stolpen 1962. - Langenn, Friedrich Albert von: Geschichte von Stolpen, in: Mittheilungen des königlich-sächsischen Alterthumsvereins 20 (1870), S. 20-54. - Rogge, Jörg: Zum Verhältnis von Bischof und Domkapitel des Hochstifts Meißen im 14. und 15. Jahrhundert, in: RQA 91 (1996) S. 182-206.